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Kultur Berlin, Köln, München

Wo museale Kunstwerke versteigert werden

Freier Mitarbeiter im Feuilleton
Alexej von Jawlenskys „Spanische Tänzerin“, Gemälde von 1909 Alexej von Jawlenskys „Spanische Tänzerin“, Gemälde von 1909
Top-Los: Alexej von Jawlenskys „Spanische Tänzerin“
Quelle: Courtesy Ketterer/Foto Marc Autenrieth
Die Auktionshäuser Lempertz und Van Ham, Ketterer und Grisebach buhlen zum Saisonfinale um die Kunstsammler. In den Auktionskatalogen fallen besonders expressive Gemälde auf. Manche hingen jahrzehntelang im Museum.

Auch „bad paintings“ können gute Malerei sein: Vor gut 40 Jahren kehrte die expressive, oft figurative Malerei in die Kunstgeschichte zurück. Das gegenständlich bemalte Tafelbild war mehrfach für tot erklärt worden, aber das New Museum of Contemporary Art holte das „Bad Painting“ auf die Ausstellungsbühne zurück. Und damit war auch in Deutschland der Bann gebrochen: für Schlechtmaler, die außerordentliche Gemälde schufen.

Beste Beispiele für diesen nur vermeintlichen Gegensatz kommen in den bevorstehenden Auktionen unter den Hammer. So etwa „Ameise“ von Albert Oehlen aus dem Jahr 1982. Wir sehen sie auf dem Gemälde fast bildfüllend. Mit wenigen Strichen gelingt es Oehlen, das ameisenhafte Gewackel des Insekts darzustellen.

Gleichzeitig bildet er den Mal-Akt selbst ab, geht mit pinselvoller Kraft voraus, lässt Abstraktion lässig mit Figuration konkurrieren. Oehlen ist hier ganz Maler, kommt ohne beißenden Witz und politische Kommentare aus, die seine Kunst sonst häufig garnieren. Das Berliner Auktionshaus Grisebach bietet die „Ameise“ zur Taxe von 60.000 bis 80.000 Euro an.

Auktionswoche in Berlin, Köln und München

Die Sammler stehen bereits in den Startlöchern: Grisebach veranstaltet seine Sommerauktionen am 30. und 31. Mai 2024 und lädt noch bis zum 29. Mai zu den Vorbesichtigungen in die Unternehmensvilla in Berlin. Lempertz in Köln besetzt die Auktionstermine am 4. und 5. Juni 2024, und Van Ham versteigert am 5. und 6. Juni 2024 im Kölner Auktionshaus. Ketterer versteigert Kunst des 19. Jahrhunderts, der Moderne und der Gegenwart am 7. und 8. Juni 2024. Ausgewählte Werke sind in der ersten Juniwoche im Münchener Stammhaus zu besichtigen und in der letzten Maiwoche in der Berliner Repräsentanz.

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Was Albert Oehlen, sein Bruder Markus oder Werner Büttner in den frühen 1980ern in Düsseldorf zur Avantgarde machte oder Peter Bömmels und Volker Tannert in Köln, das nannte man auch „heftige Malerei“. Von Tannert versteigert das Kölner Haus Lempertz nun das so rätselhafte wie überlebensgroße Bild „Somatische Gefangenschaft“ von 1981 zur niedrigen Taxe von 4000 bis 6000 Euro.

In Berlin kursierten die Protagonisten der malerischen Heftigkeit auch als „neue Wilde“. Zu ihnen gehörten die sogenannten Moritz-Boys um Helmut Middendorf und Rainer Fetting, die am Kreuzberger Moritzplatz eine Künstlerselbsthilfegalerie eröffnet hatten. Ketterer in München versteigert „Zwei Figuren“ von Fetting, expressive Akte im Komplementärkontrast von Grün und Rot, Schwarz und Weiß zum Schätzpreis von 40.000 bis 60.000 Euro.

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Middendorfs „Sänger“ von 1980 geht auf einer in rotes, gelbes, grünes Licht getauchten Bühne fast in den Spagat, vielleicht ist es im Punk-Club SO36, der ein paar Monate lang vom Künstlerkollegen Martin Kippenberger betrieben worden war. Für sie alle wohl galten Helmut Middendorfs Worte: „Wir fühlten uns wie Rock ’n’ Roller innerhalb der Malerei“. Sein impulsives Sängerbild taxiert Grisebach auf 40.000 bis 60.000 Euro.

Kiki Kogelnik war selbst kein Punk, aber sie beobachtete ihn genau. Die österreichische Malerin lebte seit den 1960er-Jahren in New York, war der Pop-Art verbunden, konnte aber auch ironischer Schlechtmalerei einiges abgewinnen. Die besagte Schau im New Museum dürfte sie gesehen haben.

In der Zeit als ihr Punk-Gemälde „Real Life Stinks“ entstand, porträtierte sie Figuren, die im CBGB abhingen und mit Hundehalsband und Hakenkreuzbinde die Hässlichkeit als Schick kultivierten. Kogelniks lebensgroßes Diptychon mit durch die Leinwand gestochenen Sicherheitsnadeln wird vom Auktionshaus Van Ham in Köln angeboten und auf 80.000 bis 120.000 Euro geschätzt.

Museale Werke im Kunsthandel

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Die Frühjahrsauktionen in Köln, Berlin und München sind der Saisonhöhepunkt der deutschen Kunstversteigerer. Im Angebot finden sich daher mehr als nur „Bad Paintings“. Ein Schwerpunkt liegt traditionell bei der klassischen Moderne, besonders dem deutschen Expressionismus – auf den sich freilich auch die wilden Maler der 1980er-Jahre bezogen haben. Ketterer etwa hofft bei der Jubiläumsauktion zum 70-jährigen Bestehen des Unternehmens auf einen Zuschlag im Bereich von 7 bis 10 Millionen Euro für Alexej von Jawlenskys „Spanische Tänzerin“ von 1909.

Ein solches Gemälde befinde „sich normalerweise seit vielen Jahrzehnten in einem Museum“, meint der Kunsthistoriker und Jawlensky-Biograf Roman Zieglgänsberger. Den Maler zeichne aus, „dass er in jedem Moment die Grenzen des visuell Ertragbaren ausreizt“. Seine wenigen vergleichbaren Werke werden längst im Von-der-Heydt-Museum in Wuppertal, dem Lenbachhaus in München oder dem Guggenheim-Museum aufbewahrt.

Jawlenskys „Spanische Tänzerin“ kommt bei Ketterer am 7. Juni unter den Hammer
Quelle: Courtesy Ketterer/Foto Marc Autenrieth

Grisebach möchte mit einem spätexpressionistischen Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner zumindest an der Millionengrenze kratzen. „Heuernte“ von 1924–26 kann man ebenfalls museal nennen, das Bild hing jedenfalls sechzig Jahre lang im Museum Biberach, wird nun allerdings aus einer Privatsammlung aus dem Umfeld der Familie des Künstlers eingeliefert (700.000 bis 900.000 Euro. Parallel dazu wird sein Stillleben „Glockenblumen“ von 1919 angeboten, das mit selber Provenienz und Ausstellungsgeschichte zu einer Taxe von 350.00 bis 450.000 Euro angeboten wird.

Ketterer bringt allein ein Konvolut von 26 Kirchner-Werken unter den Hammer. Darunter die Landschaft mit Akten „Im Wald“ von 1910 (400.000 bis 600.000 Euro) und der jahrzehntelang verschollen geglaubte „Tanz im Varieté“ von 1911 (2 bis 3 Millionen Euro), Bilder aus der Zeit als Kirchner der Dresdener Künstlerbewegung „Brücke“ angehörte, aber auch Davoser Holzschnitte aus den späten 1910er-Jahren.

Expressionismus bleibt lebendig

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg gründete sich in Berlin die „Novembergruppe“, der neben George Grosz und Hannah Höch auch der gelernte Schneider Georg Tappert angehörte. Protegiert von Max Liebermann und Paul Cassirer konnte er Kunst studieren und wurde ordentlicher Professor an der Staatlichen Kunstschule Berlins.

Seine Motive fand er in den Revuetheatern, etwa die „Tänzerin mit erhobenem Fächer“ von 1918/20 (Van Ham, 50.000 bis 70.000 Euro). Im dekorativ farbenfrohen Stil orientierte er sich an Orphisten wie Robert Delaunay. Wie viele Vertreter des Expressionismus aber galt auch Tappert schon bald als „entartet“, sein Werk wurde erst Ende der 1950er-Jahre wiederentdeckt.

Auch in der Gegenwartskunst, die sich spätestens seit der „Bad Painting“-Ära nicht mehr stilistisch einordnen lässt, bleibt der Expressionismus lebendig. Norbert Bisky wendete ihn in Bildern wie „Russisch Roulette“ von 2003 zum neongrellen Superrealismus (Grisebach, 50.000 bis 70.000 Euro). Christopher Lehmpfuhl drückte 2014 die Ölfarbe für Landschaften wie „Morgenlicht in Hohwacht“ gleich tubenweise aus (Van Ham, 17.000 bis 25.000 Euro). Und Rainer Fetting schleuderte noch im Jahr 2017 einen „Mad Clown“ auf die Leinwand (Grisebach, 25.000 bis 35.000 Euro).

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Rosemarie Trockel ist dagegen als eher spröde Konzeptkünstlerin bekannt geworden. Doch den Titel ihrer fast drei Meter breiten Wandinstallation hätten auch Heftige wie Büttner oder Kippenberger dichten können. „Reißverschlussphantom“ heißt das Werk von 2005 aus zwei beweglichen Tafeln, das von Lempertz auf 300.000 bis 400.000 Euro taxiert ist.

Darauf sieht man Gürtelschlaufen, Zipper, Nähte und hautfarbene Stoffelemente. Sie verweisen auf Trockels Interesse an Mode, an ihre Strickmaschinenbilder, mit denen die Künstlerin Aufsehen erregte, als ihre männlichen Kollegen sich noch exzessiv mit triefender Farbe in Szene setzten. Aber Expressionen muss man eben auch mal in Zaum halten können, oder wie Trockel es emotionslos ausdrückte: „In einem Augenblick, wo etwas funktioniert, hört es auf, interessant zu sein.“

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