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Neues Kunstmuseum

In diesem Silo steckt die ganze nordische Moderne

Autorenprofilbild von Richard Kämmerlings
Von Richard KämmerlingsLiterarischer Korrespondent
Veröffentlicht am 22.05.2024Lesedauer: 6 Minuten
Wahrzeichen: Das neueröffnete „Kunstsilo“ am Hafen von Kristiansand
Das neueröffnete „Kunstsilo“ in KristiansandQuelle: © Alan Williams

Die Tangen Collection ist die größte Sammlung skandinavischer Kunst des 20. Jahrhunderts. In Kristiansand in Südnorwegen ist dafür ein spektakuläres Museum entstanden. Dort sind fantastische Künstler zu entdecken, von denen hierzulande kaum jemand je gehört hat.

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Das südnorwegische Städtchen Kristiansand hat seine ganz eigenen Gezeiten, beinahe so regelmäßig wie Ebbe und Flut. Rund 150 Mal im Jahr, also im Schnitt jeden zweiten Tag, legt ein Kreuzfahrtriese am winzigen Hafen an und ein Strom von Besuchern ergießt sich in die Altstadt – vom dänischen König Christian IV. Mitte des 17. Jahrhunderts streng quadratisch angelegt – mit ihren pittoresken Holzhäuserzeilen, einer historischen Militärfestung und gut erhaltenen Wehrmachts-Flakstellungen über felsigen Klippen.

Seit dem vergangenen Wochenende gibt es einen besseren Grund für einen Zwischenstopp. In unmittelbarer Nachbarschaft des Kais, gleich hinter dem Fischmarkt mit seinen Restaurants, befindet sich in einem spektakulär umgebauten Getreidesilo die weltweit größte Sammlung skandinavischer Kunst des 20. Jahrhunderts, die Tangen Collection.

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Nicolai Tangen, 1966 in Kristiansand geboren und in London als Hedgefond-Manager zu Reichtum gekommen, sammelt seit den 90er-Jahren. 2015 kündigte er an, seiner Heimatstadt die Kunstwerke über eine Stiftung als Dauerleihgabe zu überlassen – bis heute ist der Bestand auf 5500 Objekte angewachsen, er umfasst Malerei, Skulptur, Fotografie, Druckgrafik, Keramik und Textilkunst.

Das zu dieser Gabe passende Museum, das Kunstsilo, spendierte Tangen noch obendrauf, beinahe jedenfalls. 1935 als innovative und wahrzeichenhafte Industriearchitektur erbaut und schon damals preisgekrönt, sollte das stillgelegte Getreidesilo auf der dem Hafen vorgelagerten Insel Odderøya erhalten bleiben. Tangen setzte sich mit der Idee durch, das Silo zum städtischen Kunstmuseum umzubauen und darin zugleich das bisherige, nur regional bedeutsame Museum Südnorwegens aufgehen zu lassen.

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All das war anfangs hochumstritten – nicht jedem gefiel die Idee, sich von einem Global Player Stadtentwicklung und Kulturpolitik definieren zu lassen. Tangen, der auch einen Abschluss in Kunstgeschichte hat, leitet heute den Staatlichen Pensionsfonds Norwegens, den größten Staatsfond der Welt.

Betritt man das Kunstsilo, scheinen die einstigen Debatten merkwürdig gegenstandslos, sie verblassen gewissermaßen angesichts der überwältigenden Evidenz einer modernistischen Kunsttempel-Ästhetik. Das aus dem Architekturwettbewerb als Sieger hervorgegangene Büro Mestres Wåge aus Barcelona hat aus dem dicht gestaffelten, 30 Betonzylinder umfassenden Silo-Komplex eine zentrale Halle von 21 Meter Höhe herausgeschnitten, in die die Reste der Speicherröhren von oben gewaltig schroff hereinragen. Der funktionalistischen Architektur wird durch diesen Hightech-Umbau quasi ein Kirchenschiff untergejubelt – von einer „Kathedrale“ spricht nicht nur der norwegische Architekt Magnus Wåge.

Anleihen beim Kirchenbau

Angesichts des spannungsvollen Verhältnisses der Moderne zu den religiösen Restbeständen hat das einen höheren, nicht unironischen Sinn. Die Eröffnungsausstellung „Passions of the North“ bietet einen Überblick über die Tangen Collection. Die Ausstellungsräume führen auf drei Etagen um die Silohalle herum, was zugleich Quer- und Durchblicke ermöglicht und wie eine Empore wirkt, auch das eine Anleihe beim Kirchenbau.

Die gezeigten 600 Werke aus der Zeit von 1910 bis 1990 lassen sich als Crashkurs in moderner Kunstgeschichte verstehen; die diversen Ismen des 20. Jahrhunderts treten in durchaus vertrauter zeitlicher Reihenfolge auf. Allein, von den allerwenigsten der hier vertretenen Künstlerinnen und Künstler dürfte der Nichtspezialist jemals auch nur gehört haben.

Ein beträchtlicher Teil nordischer Leidenschaft richtet sich auf Metropolen im Süden, allen voran Paris als Richtungsanzeiger der Avantgarden. Dass die urbane Wahrnehmungsfragmentierung im Norden Europas weniger spürbar gewesen wäre, ist ein Vorurteil, das man aus hyggeligen Skandinavien-Klischees haben kann und das hier schnell zerstreut wird. So wird vom schwedischen Maler Gösta Adrian-Nilsson ein futuristischer Nachtzug aufs Gleis gesetzt, während der Däne William Scharff fachmännisch-kubistisch eine Henne zerlegt und neu zusammenbaut.

Man kann sich diesen Bildern mit den bekannten Meistern im Kopf nähern. Aber das gelangweilt abwinkende „Kennen wir doch alles schon und in besser“ verschließt die Erkenntnismöglichkeiten. Auch müsste man erst mal den Beweis führen, dass der roboterhafte „Jongleur“ (1928) eines Erik Olson den Maschinenmenschen eines Willi Baumeister nicht das Wasser reichen kann. Oder die aus dicken Ölfarbschichten wachsenden Waldböden eines Jakob Weidemann nicht den New Yorker Klassikern des Abstrakten Expressionismus.

Man kann das Gedankenexperiment unternehmen, man wäre in ein kunsthistorisches Parallel-Universum geraten, das aus eigenständiger, intrinsischer Formen-Evolution zu ganz ähnlichen Ergebnissen geführt hat. Tatsächlich gibt es aber Wechselwirkungen, Differenzen und Abweichungen, die lokalen Ausprägungen globaler Stiltendenzen. Dazu gehört eine dann doch spezifisch nordische Beziehung zur Natur und Landschaft, die sich an romantischen Topoi abarbeitet – etwa in den Foto-Inszenierungen der Finnin Elina Brotherus, die Casper-David-Friedrich-Posen ironisch aktualisiert.

Ländliche Idyllen von Haus, Hof und Hütte bilden in vielen Werken den Kontrast sowohl zur städtisch-industriellen Moderne als auch zu den politischen Konflikten, die in aggressiver Pop-Art ausgetragen werden etwa bei den Norwegern Per Kleiva oder Willi Storn – einem Öko-Aktivisten avant la lettre, inzwischen 88 Jahre alt.

Die Schau arbeitet solche Verbindungen leitmotivisch heraus – wenn sie etwa die Freisetzung der Formen und Farben in der konkreten Malerei der 50er- und 60er-Jahre mit den „Formfamilien“ virtuoser Keramikkunst kombiniert. Ein den Durchblick zulassender Raumteiler lässt die wie auf einer Tafel arrangierten Vasen wie in einem riesigen Rahmen erscheinen, der mit dem Hin und Her zwischen Zwei- und Dreidimensionalität spielt.

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Dann wiederum gibt es Räume, in denen ein oder zwei Dutzend thematisch verbundene Bilder unterschiedlichster Epochen, Formate und Stile wie in einer Collage aneinandergefügt sind, etwa zu einem „Album“ moderner Conditio humana mit den Grundtönen Isolation und Einsamkeit oder, konträr dazu, Bilder revolutionärer Solidarisierung oder politischer Verfolgung, die ihre Opfer in ein Kollektiv des Leidens zwingt.

Zwischen Bordell und Tivoli

Ein engagierter Maler wie Reidar Aulie vereinigt in seinem Werk beide Pole: von den aufstehenden Arbeitern in „Streik“ (1936) bis zum traurigen Taubenfütterer in „Das Karussell“. Der hierzulande kaum bekannte Norweger Aulie ist mit Hauptwerken vertreten, meisterhaft sein großformatiges „Bordell“ von 1933 mit seiner Gegenüberstellung männlichen Elends und einer selbstbewussten, starken Weiblichkeit, die längst reif scheint, die sozialen Hierarchien umzukehren. Aulies fantastisches „Tivoli“, eine grelle Jahrmarktwimmelei als Parabel einer von Verfall gezeichneten Gesellschaft, hat die Digitalabteilung des Hauses gar in eine computeranimierte Rundum-Installation verwandelt. Möglichst niedrigschwellig will das neue Haus sein.

Das Besondere der Tangen Collection ist die selbstverständliche Zusammenschau der sonst meist in nationalen Sammlungen getrennten Bestände. Angestrebt wird eine enge Zusammenarbeit mit den Museen der skandinavischen Metropolen mit dem klaren Ziel, die nordische Kunstgeschichte in die Erzählung der Moderne einzuspeisen. Natürlich ist nicht alles Neuland. Die Künstlergruppe CoBrA ist mit herausragenden Werken des Dänen Asger Jorn vertreten.

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Der große Einfluss des nach Norwegen emigrierten deutschen Expressionisten Rolf Nesch auf die dortige Szene wird in einem eigenen Raum dokumentiert. Auch zwei Werke des deutschen Schriftstellers Peter Weiss sind zu sehen, der nach seiner Emigration in Stockholm zunächst als Maler wirkte. Doch sind in Kristiansand Entdeckungen auf Schritt und Tritt zu machen.

Im obersten Rang über der Silohalle steht eine uralte Holzhütte aus den norwegischen Bergen, die Gjerdeløa. Die Aktionskünstlerin Marianne Heske hat sie 1980 von Bauern gemietet, ab- und im Pariser Centre Pompidou wieder aufbauen lassen. Jahrzehnte nach ihrer Rückkehr an den Ursprungsort ist sie nun zum Teil des Kunstsilos geworden, gemeinsam mit ihrer von Heske verfertigten Kopie aus Kunstharz im Maßstab eins zu eins. Einst diente die Gjerdeløa als Heuspeicher. Nun ist sie hier, im ehemaligen Silo, als Kunst aufbewahrt und darf, ja, soll von jedermann betreten werden.

„Passions of the North“, Kunstsilo Kristiansand. Der Katalog kostet ca. 25 Euro. Zugleich ist ein voluminöser zweibändiger Katalog zur Tangen Collection erschienen, der ca. 160 Euro kostet.


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