Bauernproteste vor NDR-Funkhaus und mehreren Supermärkten
In Rheinland-Pfalz blockieren Landwirte und Winzer Zufahrten von Zentrallagern großer Handelsketten. Sie fordern faire Preise für Erzeuger und wollen so erreichen, dass sich die Handelsunternehmen bei der Politik für sie einsetzen.
Erneute Proteste von Landwirten in Teilen Deutschlands: Traktoren stehen derzeit vor dem NDR-Funkhaus in Hannover. In Rheinland-Pfalz und Brandenburg wurden die Logistikzentren von Discountern belagert, in Koblenz hing gar ein Trecker in der Luft.
Landwirte und Mittelständler haben am Montagmorgen vor dem Landesfunkhaus des NDR in Hannover (Niedersachsen) protestiert. Nach Angaben eines dpa-Reporters fuhren etwa 50 Fahrzeuge – darunter rund 30 Traktoren – vor dem Funkhaus auf und standen vor den Zufahrten und Parkplätzen. Fahrzeuge seien von den Protestierern aber durchgelassen worden.
Es handele sich um eine gemeinsame Aktion von Bauern und Mittelstand, sagte Joachim Oelze, Landwirt aus Melzingen, der die Demonstration nach eigenen Angaben angemeldet hatte. „Wir kritisieren, dass die Medienberichte über die Demonstrationen klein gehalten werden“, sagte er. Die Kritik richte sich nicht nur gegen den NDR, sondern gegen die Medien insgesamt.
Nach Angaben des NDR haben Niedersachsens Funkhaus-Direktorin Andrea Lütke und Chefredakteur Thorsten Hapke mit einigen der Landwirte im Landesfunkhaus ein Gespräch geführt. Man habe Ihnen dabei zugesichert, auch in Zukunft im Dialog zu bleiben, teilte der Sender auf Anfrage mit.
Auf einem Flugblatt forderten die Protestierer die Rücknahme des Bundestagsbeschlusses zum Haushalt 2024, und damit die Rücknahme der Lkw-Mauterhöhung, die Abschaffung der CO₂-Steuer und die Beibehaltung der Subvention für Agrardiesel. Weiterer Teil der Forderungen: Abbau von Bürokratie. Denn Landwirte bräuchten Planungssicherheit, hieß es auf dem Flugblatt: „Zu heutigen Bedingungen genehmigte Ställe oder andere Bauten der Landwirtschaft müssen mindestens 25 Jahre so betrieben werden können!“
Nach Angaben der Polizei hatten die Proteste bereits um 1 Uhr begonnen. In der Spitze seien 40 Traktoren und 80 Personen vor Ort gewesen, sagte eine Sprecherin der Polizei Hannover. Zuvor hatte die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ berichtet.
Lidl und Kaufland als Ziel der Protestler
In Koblenz (Rheinland-Pfalz) blockierten Landwirte zeitweise das Zentrallager eines Lidl-Supermarktes. Rund 500 Teilnehmer störten seit Sonntagabend die Ein- und Zufahrt, wie Andreas Jung vom Bündnis „Landwirtschaft verbindet Rheinland-Pfalz e.V“ berichtete. Die Blockade wurde abgesehen von einer kurzen Unterbrechung in den Morgen fortgesetzt, bis Jung ein Gespräch mit Lidl geführt hatte. Er berichtete danach von einem konstruktiven Gespräch.
Die Landwirte in Koblenz hoben unter anderem einen Traktor in die Luft – als Symbol für „die Landwirtschaft am seidenen Faden“.
Hintergrund für die Blockaden mehrerer Supermärkte in Rheinland-Pfalz ist unter anderem die Forderung nach einem System, das „faire auskömmliche Preise für die Urproduzenten, die heimische Landwirtschaft, ermöglicht!“, heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins.
Auch in Bingen gab es Protestaktionen durch mehrere Bauern an einem Globus-Logistikzentrum sowie an einem Aldi-Zentrallager. Wie die Polizei mitteilte, fing dort ein Heuballen aus bisher ungeklärter Ursache Feuer. Mit Unterstützung der Feuerwehr konnte es schnell gelöscht werden und verursachte keine Schäden. Die Blockade in Bingen und eine weitere Blockade in Wöllstein wurden bereits in der Nacht sowie am frühen Morgen aufgelöst.
In Brandenburg kam es am Sonntagabend zu einer unangemeldeten Demonstration bei Kaufland in Lübbenau, wie zunächst die „Märkische Allgemeine Zeitung“ (MAZ) berichtete. Die Lage sei weiterhin unübersichtlich, die Stimmung zum Teil aggressiv, sagte eine Sprecherin der Polizeidirektion Süd am Montagmorgen auf Nachfrage der MAZ, hieß es in dem Bericht weiter.
Die Kundgebung mit einer dreistelligen Zahl an Traktoren und Lastkraftwagen war nicht angemeldet, wie die Polizei am Montag mitteilte. Betroffen sei das Kaufland-Logistikzentrum in Groß Klessow (Landkreis Oberspreewald-Lausitz), dort sei eine Blockade errichtet worden.
Man habe die Demonstranten aufgefordert, die Versammlung zu beenden, sagte eine Sprecherin weiter. Die Kundgebung aufzulösen sei wegen der großen Teilnehmerzahl und vielen Fahrzeuge nicht möglich. Bei X wurde spekuliert, ob die Aktion der „Querdenker“-Szene bzw. dem Umfeld der bei Telegram aktiven „Freien Sachen“ zuzurechnen sei. Offizielle Informationen dazu gibt es bisher nicht.
Die Ein- und Auffahrt zum Logistikzentrum laut Polizei sei vollständig verstellt. Die Protestierenden hätten aber eine Rettungsgasse gebildet. Bei einzelnen Artikeln in den Kaufland-Filialen könnte es wegen der Aktion zu Einschränkungen kommen, wie das Unternehmen am Montag erklärte. Grundsätzlich sei die Warenversorgung in den Läden aber sichergestellt.