Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, hat sich angesichts der Angriffe auf Wahlkampfhelfer und Politiker in jüngster Zeit alarmiert gezeigt.
Er sehe eine „auffällige Häufung der Gewalt“, sagte er der „tageszeitung“ (taz). Die Unzufriedenheit mit staatlichen Institutionen befördere Beleidigungen, Bedrohungen und auch Gewalt. „Und das häuft sich nun vor den anstehenden Wahlen“, sagte er. Am 9. Juni ist die Europawahl. Und im September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt.
Laut Münch gab es im vergangenen Jahr 5.400 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger. Die Zahl habe sich verdreifacht in den vergangenen fünf Jahren. Diese Zahlen seien „zumindest ein Alarmsignal“, sagte er. „Keiner kann sagen, was der Schwellenwert ist, an dem die Demokratie kippt. Aber wenn zehn Prozent der Amts- und Mandatsträger sagen, sie überlegten wegen der Anfeindungen aufzuhören, und weitere fast zehn Prozent angeben, aufgrund der Anfeindungen nicht mehr kandidieren zu wollen, ist dieser Wert deutlich zu hoch.“
Zum Fall des Dresdner SPD-Europapolitikers Matthias Ecke, der beim Aufhängen von Plakaten krankenhausreif geprügelt wurde, sagte Münch, dies sei eine äußerst brutale Gewalttat gewesen, die zeige, wohin politische Aggression führen könne. „Solche Gewalt kann sich bis hin zu versuchten oder vollendeten Morddelikten steigern – wie wir es etwa im Fall Walter Lübcke erleben mussten. Um genau nicht dorthin zu kommen, sind wir sehr aufmerksam und alarmiert.“ Der hessische CDU-Politiker war 2019 von einem Rechtsextremisten vor seinem Wohnhaus erschossen worden.
„Eine solche Präsenz kann man einsetzen...“
Die AfD sieht Holger Münch derweil in besonderer Verantwortung, zu einer sachlichen Debattenkultur beizutragen. „Die AfD hat eine besondere Rolle, weil sie gerade in Social Media eine sehr breite Präsenz hat“, sagte er. „Eine solche Präsenz kann man einsetzen, um zu beruhigen oder zu beunruhigen. Und zur Beruhigung tragen viele der AfD-Veröffentlichungen nicht bei.“
„Jeder politische Akteur, der nicht dazu beiträgt, dass es einen sachlichen Diskurs gibt, sondern Sündenböcke aufbaut – Stichwort Ausländerproblem und Remigration – trägt zu dieser Polarisierung bei“, sagte der BKA-Chef. Er appellierte weiter: „Wir dürfen denen, die destruktiv sind, nicht die Diskussionsräume überlassen.“