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Erzieher-Mangel

„Wenn ich Liam am Abend sage: Morgen gehst du in die Kita! Dann ist das einfach eine Lüge“

Autorenprofilbild von Freia Peters
Von Freia PetersPolitikredakteurin
Veröffentlicht am 31.05.2024Lesedauer: 6 Minuten
Alex Liefermann und Sohn Liam aus Düsseldorf
Alex Liefermann und Sohn Liam aus DüsseldorfQuelle: Marcus Simaitis

100.000 Erzieher fehlen in Kitas, sieben von zehn Einrichtungen reduzieren teilweise Öffnungszeiten. Experten fordern aber noch radikalere Schritte. Eltern wie Alex Liefermann alarmiert das: Schon jetzt müssen sie jeden Morgen aufs Neue jonglieren, um Kinderbetreuung und Arbeit vereinen zu können.

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Unter den Eltern von kleinen Kindern, die ihren Humor noch nicht ganz verloren haben, macht dieser Tage ein Witz die Runde. „Sagt ein Vater zum anderen: Die Kita schließt für vier Wochen. Meine Frage, ob ich die Kinder vorher abholen muss, kam nicht so gut an.“

Zu den eher verzweifelten Eltern gehört Alex Liefermann, im Normalfall auch eher ein fröhlicher Mensch, aber die Zustände seien eben nicht lustig.

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„Dass mein Sohn fünf Tage hintereinander in die Kita gehen kann, ist zur Ausnahme geworden“, sagt Liefermann, 40 Jahre, der in Düsseldorf lebt. Im Hintergrund hört man den vierjährigen Liam quaken, an diesem Tag ist er allerdings ausnahmsweise wegen eines starken Hustens zu Hause. „Es ist schon vorgekommen, dass unsere Kita eine ganze Woche lang wegen Personalmangels geschlossen hatte. Wenn ich Liam am Abend sage: Morgen gehst du in die Kita! Dann ist das einfach eine Lüge. Ob er wirklich gehen kann, weiß ich nämlich nicht.“

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In Nordrhein-Westfalen ist der Personalmangel in den Kindertagesstätten so drastisch geworden, dass das Land und die Kommunen derzeit darüber diskutieren, die Vollzeitbetreuung eines Kita-Kindes von 45 Stunden in der Woche – also neun Stunden täglich – auf 35 Stunden wöchentlich und sieben Stunden am Tag zu reduzieren. „Ich frage mich bloß, wie ich da noch vernünftig arbeiten soll“, sagt Liefermann. „Wenn man die Fahrtzeiten berücksichtigt, könnte ich dann nur noch sechs Stunden bei der Arbeit sein. Das ist wohl ein Witz.“

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Vor rund einem Jahr haben einzelne Kitas in ganz Deutschland begonnen, in den Notfallmodus zu schalten und am Morgen die Eltern anzumorsen mit der Bitte, die Kinder, wenn irgendwie möglich, zu Hause zu betreuen. Einer Umfrage des Deutschen Kitaverbandes zufolge reduzierten 2023 sieben von zehn Einrichtungen zeitweilig die Öffnungszeiten. Mehr als 70 Prozent der Kitaträger beklagen unbesetzte Stellen, bestätigt eine Auswertung des Familienministeriums. Rund 100.000 Erzieher fehlen derzeit, 430.000 Kinder bekommen keinen Platz.

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Die Personalnot ist so groß, dass die Aufsichtspflicht leidet, ganz zu schweigen von pädagogischen Angeboten wie Forschungsprojekten, Ausflügen oder Vorschularbeit. Das ist besonders dramatisch, erinnert man sich, dass deutsche Schüler in der Pisa-Studie Ende des vergangenen Jahres so schlecht abschnitten wie nie zuvor – und Wissenschaftler wie Politiker danach einheitlich nach mehr frühkindlicher Bildung riefen.

Erst Anfang der 30er-Jahre Linderung in Sicht?

Glaubt man Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung, hat die Misere gerade erst begonnen. Demnach wird sich die Personalnot in den Kitas weiter verschärfen und erst Anfang der 30er-Jahre auflösen. Zwar wurde das Kitasystem in den vergangenen 20 Jahren enorm ausgebaut. Allein im pädagogischen Bereich sind heute rund 722.000 Menschen tätig – doppelt so viele wie 2006 und mittlerweile mehr als in der Automobilindustrie. Sie betreuen rund 3,9 Millionen Kinder.

„Es ist davon auszugehen, dass der Bedarf immer weiter steigt, weil immer mehr Eltern ihre Kinder betreuen lassen wollen“, sagt Annette Stein, Direktorin des Programms „Bildung und Next Generation“ der Bertelsmann-Stiftung. In einem Bericht der Stiftung haben Statistiker berechnet, wie sich das Angebot und der Bedarf an Fachkräften in den einzelnen Bundesländern in den kommenden Jahren entwickeln wird.

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Bis 2030 besteht für die ostdeutschen Bundesländer aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen die Chance, die Elternbedarfe zu erfüllen. In westdeutschen Bundesländern wird dies hingegen erst einige Jahre später erfolgen. 50.000 bis 90.000 Fachkräfte werden im Jahr 2030 in westdeutschen Kitas noch fehlen, bestätigt das Familienministerium. Während Familienministerin Lisa Paus (Grüne), wie zu Beginn der Woche angekündigt, vor allem auf langfristige Strategien setzt, wie etwa Personen mit ausländischen Abschlüssen schneller ins Berufsfeld zu integrieren, setzten die Experten der Bertelsmann-Stiftung auf radikalere Mittel.

„Drei Maßnahmen können die aktuelle Situation entschärfen“, sagt Direktorin Stein. „Die pädagogischen Fachkräfte sollten durch Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte entlastet werden.“ Zusätzlich sollten die Kitas auf – pädagogisch begleitete – Quereinsteiger setzen. „Besonders entlastend könnte wirken, wenn die Betreuungs- und Öffnungszeiten vorübergehend reduziert werden.“ Um allen Kindern einen Zugang zur Kita zu ermöglichen, müsste die Stundenzahl in den meisten Regionen auf sechs oder sieben Stunden täglich zusammengeschmolzen werden, heißt es im Bericht. So eine einschneidende Maßnahme müsse aber auf kommunaler Ebene mit den Trägern und vor allen Dingen den Eltern gemeinsam entschieden werden, meint Stein.

Nordrhein-Westfalen scheint nun das erste Bundesland zu sein, das die Empfehlungen aufgreifen wird. Auf eine Kleine Anfrage antwortete die Landesfamilienministerin Dorothee Feller (CDU), ihr Ministerium behalte die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung und eine Reduzierung der Öffnungszeiten als eine mögliche Maßnahme gegen den vorherrschenden Fachkräftemangel im Blick. Bis Ende des Jahres möchte die Landesregierung einen Entwurf für eine Reform des Kinderbildungsgesetzes vorlegen.

„Wird sich wundern, wenn er jeden Tag in die Schule muss“

Wenn NRW diesen radikalen Schritt ginge, werden andere Bundesländer folgen, befürchtet Vater Alex Liefermann. Er macht sich Sorgen, was die unregelmäßige pädagogische Betreuung für die langfristige Entwicklung seines Kindes bedeutet. Lernt es, sich in der Gruppe anzupassen oder sich unter Gleichaltrigen durchzusetzen? Bereitet es sich genügend darauf vor, sich unter pädagogischer Anleitung länger auf eine Sache zu konzentrieren? In zwei Jahren wird Liam eingeschult. „Dann wird er sich wahrscheinlich wundern, warum er plötzlich jeden Tag in die Schule gehen muss“, sagt Liefermann.

Zudem müssen Liefermann und seine Lebensgefährtin bereits jetzt finanzielle Einbußen verkraften. „Ich muss immer wieder Aufträge ablehnen, weil ich nicht langfristig planen kann“, sagt Freiberufler Liefermann. „Und meine Aufstiegsmöglichkeiten sind gleich null.“

Liefermanns Partnerin ist Kassiererin in einem Supermarkt, er selbst arbeitet als Gästebetreuer beim Fernsehen. „Ich arbeite jetzt tageweise auch als Verkäufer im Supermarkt, damit verlässlich Geld ins Haus kommt“, sagt Liefermann.

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Weil sie mit der Betreuung ihrer Kinder beschäftigt waren, standen im vergangenen Jahr 372.000 Personen, vor allem Mütter, dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, obwohl sie eigentlich gerne gearbeitet hätten. Laut dem Familienministerium gäbe es 840.000 Arbeitskräfte mehr, wenn Mütter mit Kindern unter sechs Jahren mindestens in Teilzeit wieder beruflich einstiegen.

Eine Reduzierung der Betreuungszeiten sei den Eltern allein schon aus diesen Gründen nicht zuzumuten, findet Christina Henning, pädagogische Leiterin von 46 Kitas in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Vielmehr müssten die hohen fachlichen Standards gesenkt werden. „Mit den starren Vorgaben an die Ausbildung von Kita-Erzieherinnen und -Erziehern wird der Mangel nicht zu stemmen sein“, sagt Henning. Zusätzlich sehe sie noch die Möglichkeit, auf die Mitwirkung der Eltern zu setzen, die an den Randzeiten mehrere Kinder in der Kita beaufsichtigen könnten.

„Kann eine Mutter oder ein Vater für Spiel und Spaß am Nachmittag in einer Gruppe von mehreren Kindern sorgen?“, fragt Henning. Auch in diese Richtung müssten die jeweiligen Einrichtungen überlegen.


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