Nervenkitzel auf Deutschlands spektakulärsten Hängebrücken
Manch einer bekommt schon beim Start weiche Knie – es gibt Hängebrücken, deren Begehung Mut erfordert. Doch wer sich auf ein solches Abenteuer einlässt, wird mit großartigen Aussichten belohnt. Wir stellen herausragende Bauwerke im Harz, Hunsrück und Schwarzwald vor.
Der erste Schritt erfordert ein bisschen Mut. Wer den mitbringt, der erlebt auf den schwankenden Hängebrücken Naturerlebnisse der besonderen Art. Und eine gute Portion Nervenkitzel ist bei den luftigen Spaziergängen über Schluchten und Wälder inklusive.
Geierlay: Weiche Knie im Hunsrück
Nepalesische Hängeseilbrücken dienten als Vorbild für die Hängeseilbrücke Geierlay, die sich bei Mörsdorf im Hunsrück im sanften Bogen über ein enges und bis zu 100 Meter tiefes Tal schwingt. Die Idee wurde erstmals im Jahr 2006 im Rahmen eines öffentlichen Workshops zur touristischen Belebung des Dorfes vorgestellt.
Anfangs wurde das Projekt als nicht realisierbar („zu teuer, bringt nicht genügend Publikum“) verworfen. 2010 griffen drei Bürger, darunter der jetzige Ortsbürgermeister Marcus Kirchhoff, die Idee jedoch wieder auf. Eine Machbarkeitsstudie kam zu dem Schluss, dass die Brücke funktioniert.
Nachdem weitere fünf Jahre später auch die Finanzierung gesichert war (u.a. durch eine Förderung des Landes Rheinland-Pfalz sowie den Europäischen Fonds für die ländliche Entwicklung), wurde gebaut. 2015 war es dann soweit: Die ersten Freizeitabenteurer weihten den aus Douglasienbrettern bestehenden Laufsteg in hundert Metern Höhe ein.
Bei der Eröffnung war die Geierlay (der Namen geht auf eine uralte Flurbezeichnung zurück) mit 360 Metern die längste Brücke ihrer Art in Deutschland. Weil sie diesen Titel zwei Jahre später (durch die Eröffnung der knapp 460 Meter langen Brücke „Titan RT“) verlor, hefteten kreative Geister ihr kurzerhand das Prädikat „schönste Hängeseilbrücke Deutschlands“ an.
Weiche Knie gibt es vor allem im Bereich des Ein- und Ausstiegs, wo die Schwankungen – anders als in der Brückenmitte – deutlich spürbar sind. Mehr als 1,7 Millionen Besucher spazierten inzwischen über die schwankende Brücke, die an den Saar-Hunsrück-Steig angebunden ist und einen Abschnitt des 5,5 Kilometer langen Rundwegs Geierlayschleife darstellt.
Weitere Informationen: Besucherzentrum Geierlay, Kastellauner Str. 23, 56290 Mörsdorf, Tel. 06762/9034080, geierlay.de. Die Brücke ist rund ums Jahr täglich 24 Stunden geöffnet. Je nach Parkplatz sollten für die Wanderung mindestens 2,5 Stunden eingeplant werden. Der Zutritt zur Brücke ist derzeit gratis, Parkgebühren ab zehn Euro.
Titan RT: Längste Hängebrücke in Deutschland
Seit Mai 2017 ist sie die längste Brücke ihrer Art in Deutschland – zumindest bis eine für Herbst 2022 geplante und nochmal satte 200 Meter längere Brücke in Willingen eröffnet: Sagenhafte 458,5 Meter weit spannt sich die Hängeseilbrücke „Titan RT“ über das Bode-Staubecken inmitten des Rappbodetals nahe dem Städtchen Oberharz am Brocken.
Ein Video zeigt die Erstbegehung der Hängeseilbrücke „Titan RT“ im Mai 2017:
Den Namen kreierten die Betreiber der Brücke in Anlehnung an die Bauweise der Stahlhängebrücke, die Ergänzung RT steht schlichtweg für den Ort des Geschehens, das RappbodeTal. Festes Schuhwerk und ein bisschen Mut reichen aus, um das besondere Abenteuer in 100 Metern Höhe zu erleben.
Nur von Luft, ein wenig Stahl und faszinierender Natur umgeben, bietet sich eine einzigartige Perspektive. Die 120 Tonnen schwere Seilkonstruktion bietet überdies einen spannenden Kontrast zum wuchtigen Betonbollwerk der Staumauer, die etwa 50 Meter entfernt parallel zur Titan RT verläuft.
Trotz 65 Millimeter dicker Stahlseile schwankt die durchgehend bewegliche Brücke deutlich, weshalb es den einen oder anderen Besucher ein wenig Überwindung kostet, sich auf den Weg zu machen. Verstärkt wird der Kribbel-Effekt beim Blick in die Tiefe durch den Gitterboden zu Füßen der Spaziergänger.
Starke Nerven sind auch bei einigen weiteren Freizeitattraktionen im Umfeld der Hängebrücke unabdingbar. Direkt unterhalb befindet sich der sogenannte „GigaSwing“: Allein oder im Tandem stürzen sich Mutige bei diesem Pendelsprung 75 Meter in die Tiefe.
Wem das an Nervenkitzel nicht genügt, der kann beim Wallrunning kopfüber die Staumauer Wendefurth hinunterlaufen oder an der Mega-Zipline, der nach Betreiberangaben größten Doppelseilrutsche Europas, allein oder paarweise im Klettergurt liegend 120 Meter über dem Abgrund durch die Luft sausen.
Weitere Informationen: Rappbodetalsperre, 38889 Stadt Oberharz am Brocken, Tel. 039454/892273, titan-rt.de. Eintritt für Erwachsene sechs Euro, Kinder (4-10 Jahre) vier Euro. Die Brücke ist ganzjährig täglich von 8 bis 21.30 Uhr geöffnet.
Wildline: Eine Brücke nur für Schwindelfreie
Sie ist 380 Meter lang, 60 Meter hoch, gerade mal etwas über einen Meter breit – und für Schwindelfreie das pure Vergnügen: Die im Juli 2018 eröffnete Hängebrücke „Wildline“ bei Bad Wildbad im nördlichen Schwarzwald verbindet den Sommerberg mit dem Baumwipfelpfad Schwarzwald und bietet spektakuläre Ausblicke über die waldreiche Mittelgebirgslandschaft.
Eine Besonderheit des filigranen Bauwerks und untypisch für Hängebrücken: Der Laufweg führt zunächst nach oben, steigt zur Mitte hin an. Üblicherweise hängen, wie der Name suggeriert, Hängebrücken in der Mitte durch. Hier ist es umgekehrt, was den Spaziergang schon durch die mit jedem Schritt zunehmende Höhe spektakulärer macht.
Hinzu kommt, dass diese Brückenkonstruktion keinen Deut weniger schwankt, als eine übliche Hängebrücke – vor allem, wenn viele Menschen gleichzeitig in beide Richtungen unterwegs sind, weil sich jede Bewegung auf den Gitterboden überträgt.
Nicht nur wegen der Aussicht auf die Landschaft, sondern auch aufgrund seiner ausfeilten Konstruktion begeistert dieses Meisterwerk der Ingenieurskunst: Nur zwei Stahlseile von jeweils 75 Millimetern Durchmesser halten die Fußgängerbrücke in der Luft hoch über den Baumwipfeln.
Kein Wunder, dass es beim Überqueren schon mal schaukelt und wackelt. Adrenalinkicks sind dann garantiert. Erholen kann man sich anschließend beim Spaziergang auf dem Baumwipfelpfad, der sich 1250 Meter weit und in 20 Metern Höhe durch die Buchen, Tannen und Fichten des Bergmischwalds windet.
Weitere Informationen: Besucherzentrum Wildline, Heermannsweg 100, 75323 Bad Wildbad, Tel. 07081/9557730, wildline.de. Geöffnet: 15.2.-31.10, täglich 9-19.30 Uhr, 1.11.-14.2. täglich 9-16.30 Uhr. Eintritt: Erwachsene 9,50 Euro; Kinder (6-14 Jahre) 7 Euro. Gruppentickets: fünf Personen 45 Euro, zehn Personen 86 Euro.
Dieser Artikel wurde erstmals im Juli 2022 veröffentlicht.