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Ukraine-Präsident Selenskyj exklusiv im BILD-Interview: Das bedeutet der Dammbruch für die Gegenoffensive

Quelle: BILD
Von: Paul Ronzheimer, Vadim Moissenko und Giorgos Moutafis (Fotos)

Am Dienstag brach der Kachowka-Staudamm in der Ukraine, überflutete Dutzende Ortschaften und eine entscheidende Front-Linie im Süden des Landes. Am Mittwoch traf BILD den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (45) zum Interview.

Für Selenskyj ist klar: Moskau steckt hinter der Zerstörung des Damms!

„Sie haben Angst, dass wir die Gegenoffensive in diese Richtung anfangen und sie wollen die Befreiung unserer Gebiete erschweren“, so der Präsident. „Sie verstehen sehr wohl, dass sie diese Schlacht verlieren werden. Sie ziehen die Befreiung unserer Gebiete in die Länge.“

Schon „vor einem Jahr haben wir gesagt, dass wir Informationen besitzen, dass etwas passieren wird.“ Auch darüber, dass der Damm vermint werde. Die Ukraine habe diese Informationen „mit unseren Partnern geteilt“. Und: „Alle haben gesagt: Das Risiko ist hoch, dass der Staudamm gesprengt wird, wenn der Gegner spürt, dass wir auf diese Gebiete stoßen, um sie zu befreien.“

„Das ist nur wegen Russland passiert“

Da der Kachowka-Damm von den Russen besetzt sei, könne er keine Belege für die Sprengung des Damms durch Putins Truppen präsentieren. „Welche Beweise können wir haben? Wenn wir vor Ort sein werden, dann werden wir Beweise sammeln.“ Daran sollten sich auch internationale Experten beteiligen. Selenskyj erinnert an seine Warnungen: „Vor einem Jahr haben wir gesagt, dass wir Informationen besitzen, dass etwas passieren wird.“

Der Präsident ist sicher: „Das ist nur passiert wegen Russland und den Menschen, die diesen Landstrich jetzt kontrollieren.“

Putin hat seine Kraft verlorenUkraine-Präsident Wolodomyr Selenskyj im BILD-Interview

Quelle: BILD

Von der Katastrophe ist Selenskyj daher nicht überrascht: „Uns wundert nichts mehr, was Russland macht. Folter, Vergewaltigungen, es ist alles passiert. Das ist ihre Art, Krieg zu führen.“

Selenskyj wirft den Russen vor, die Menschen in den besetzten Flutgebieten im Stich zu lassen und die Rettung durch ukrainische Sicherheitskräfte zu verhindern.

Selenskyj: Russen beschießen ukrainische Retter

„Menschen, Tiere sind gestorben. Von den Dächern der überfluteten Häuser sehen Menschen, wie ertrunkene Menschen vorbeitreiben. Das sieht man auf der anderen Seite. Es ist sehr schwer, die Menschen aus dem besetzten Teil der Region Cherson rauszuholen“, so Selenskyj.

Besonders perfide: „Wenn unsere Kräfte versuchen, sie (die Menschen, d. Red.) rauszuholen, dann werden sie von Besatzern aus der Entfernung beschossen.“ Und: „Sobald unsere Helfer sie retten wollen, werden sie beschossen. All die Folgen werden wir erst in einigen Tagen sehen können, wenn das Wasser etwas versickert ist.“

Selenskyj über den Beginn der Gegenoffensive: „Sie werden es spüren.“

Selenskyj erhebt schwere Vorwürfe gegen internationale Organisationen: „Sie sind nicht da“

Foto: Giorgos Moutafis

Schwere Vorwürfe gegen UN und Rotes Kreuz

Den Vereinten Nationen (UN) sowie dem Roten Kreuz macht Selenskyj schwere Vorwürfe. „Sie sind nicht da!“ Obwohl die Katastrophe so viele Stunden her sei, „sind sie nicht da“. Dabei müssten die UN und das Rote Kreuz „als Erste da sein, um Menschenleben zu retten“. Denn dafür seien diese Strukturen geschaffen worden.

Über die Reaktion der beiden Organisationen auf Anfragen der Ukraine ist Selenskyj tief enttäuscht: „Wir haben keine Antwort bekommen. Ich bin schockiert.“ Und wenn es doch eine Reaktion gegeben habe, sei sie „sehr diplomatisch“ ausgefallen.

Selenskyj über den Beginn der Gegenoffensive: „Sie werden es spüren.“

Selenskyj will keine Details über die Gegenoffensive verraten

Foto: Giorgos Moutafis

Selenskyj über Gegenoffensive: „Sie werden es spüren“

Welche Auswirkungen hat der Dammbruch auf die Gegenoffensive?

„Das, was gerade passiert, ist eine Tragödie. Eine Umweltkatastrophe und eine menschliche Katastrophe. Das hilft uns nicht mit der Gegenoffensive, das erleichtert die Gegenoffensive nicht.“ Es sei „schwierig zu sagen, welchen Einfluss das haben wird. Ich kann nicht ins Detail gehen über unsere Gegenoffensive“.

Auf die Frage, ob die lang erwartete Gegenoffensive bereits begonnen habe, gibt sich Selenskyj bedeckt. „Sie werden es spüren“, wenn die Offensive beginne, sagte der Präsident und lachte verschmitzt. „Wenn sie es sehen und spüren, dann werden sie verstanden haben, dass es begonnen hat.“

Anders als Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) sieht Selenskyj in der Zerstörung des Damms keine „neue Dimension“ des Krieges. Aber: „Vielleicht verstehen einige Menschen endlich, was Russland ist.“

Dem Kanzler ist Selenskyj tief verbunden: „Ich spüre die Unterstützung.“ Der Ukrainer glaubt, dass Scholz „zu sich gefunden hat“ und daher die Ukraine immer stärker unterstütze. „Er hat für sich Antworten auf bestimmte Fragen gefunden. Russland hilft uns allen, diese Antworten zu finden.“

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