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Deutschland Umstrittene Exporte

Deutsche Unternehmen lieferten militärisch nutzbare Güter für Russland

Chefreporter Investigation
Westen stellt sich verstärkt auf mögliche russische Invasion ein

Die Krise in Osteuropa spitzt sich dramatisch zu: Laut Medienberichten warnen die US-Geheimdienste gegenüber den Nato-Alliierten dringlich wie nie zuvor vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff Russlands auf die Ukraine.

Quelle: WELT / Christoph Hipp

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Nach der Annexion der Krim lieferten hiesige Firmen mit Genehmigung der Bundesbehörden weiter in großem Umfang Dual-Use-Waren nach Russland. Trotz EU-Sanktionen. Das zeigt eine bisher unbekannte interne Aufstellung.

Deutsche Unternehmen lieferten noch in jüngerer Vergangenheit in großem Umfang Güter an Russland, die für militärische Zwecke verwendet werden können. Dies geht aus einer bisher nicht öffentlich bekannten Aufstellung des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, die WELT AM SONNTAG vorliegt.

Noch 2020 erteilte das Ministerium beziehungsweise das ihm unterstellte Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) 673 Genehmigungen für die Ausfuhr sogenannter Dual-Use-Güter an das Bestimmungsland Russland. Gesamtwert: knapp 366 Millionen Euro.

Dual-Use-Güter sind Waren, die sowohl zivil wie militärisch verwendet werden können. Darunter sind Maschinen, die bei der Waffenproduktion einsetzbar sind, Technologie für den Flugzeugbau oder bestimmte Chemikalien. Der große Umfang dieser Lieferungen aus Deutschland überrascht, denn seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 gelten laut einer EU-Verordnung für solche Exporte nach Russland schärfere Kriterien als für andere Länder. Deshalb stellt sich die Frage, ob die deutschen Genehmigungsbehörden hier gründlich genug prüfen.

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Russland war 2020 das viertgrößte Empfängerland solcher Waren aus Deutschland, nach China mit 1,6 Milliarden, den USA mit einer Milliarde und Brasilien mit 371 Millionen Euro. Das Reich von Präsident Wladimir Putin war als Bestimmungsland damit auch wichtiger als etwa Frankreich mit Gütern im Wert von knapp 274 Millionen Euro. Die Ukraine dagegen erhält nur in geringem Umfang Dual-Use-Lieferungen aus Deutschland. 2020 betrug ihr Wert 17 Millionen Euro.

Um welche Waren es im Fall von Russland im Detail geht, ist größtenteils nicht öffentlich bekannt. Debatten gab es in den vergangenen Jahren aber bereits wegen der Lieferung von abgereichertem Uran aus Deutschland, das Russland nach Ansicht von Experten bei der Waffenproduktion einsetzen könnte.

Die Bundesregierung verteidigte die Genehmigung solcher Ausfuhren zuletzt im März 2021 mit dem Argument, dass man vor der Verweigerung einer Exportgenehmigung nach Russland „konkrete Anhaltspunkte dafür“ brauche, „dass das Risiko einer militärischen Endverwendung besteht“.

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Juraprofessor Bernhard Wegener, Experte für öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg, dagegen bezweifelt, ob diese Genehmigungspraxis mit der geltenden EU-Sanktionsverordnung im Einklang steht. Diese verbietet Dual-Use-Ausfuhren bereits, wenn die Exportwaren für militärische Zwecke „bestimmt sein könnten“.

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„Die Kriterien, die die Bundesregierung hier bei Genehmigungsverfahren anwendet, sind mutmaßlich zu lax“, sagte Wegener: „Seit 2014 sind Dual-Use-Ausfuhren nach Russland eigentlich nur noch in Ausnahmefällen möglich.“ Bereits im Oktober 2020 hatte Wegener diese Bedenken in einem Rechtsgutachten für die Fraktion der Grünen im Bundestag geäußert. Das Bundeswirtschaftsministerium beteuerte jetzt dennoch, dass man die EU-Regelungen hier „strikt“ anwende.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Wenzel forderte jetzt ein genaueres Hinsehen der Behörden: „Gerade in der aktuell angespannten Lage mit Russland müssen wir eine restriktive Exportkontrollpolitik durchsetzen“, sagte Wenzel: „Das Bafa muss genauestens verfolgen, was mit Dual-Use-Gütern geschieht und eine militärische Verwendung ausschließen können.“

Der FDP-Wirtschaftsexperte Hagen Reinhold dagegen verteidigte die Genehmigungspraxis von Bundeswirtschaftsministerium und Bafa. Er verwies darauf, dass die Zahl der Dual-Use-Ausfuhren nach Russland zuletzt bereits sank.

Sie seien nach seiner Kenntnis „nicht für militärische Zwecke vorgesehen“ und basierten teilweise auf älteren Verträgen, für die laut EU-Recht Bestandsschutz gelte. Aufgrund der aktuellen russischen Aggressionen sei aber auch eine Verschärfung der Ausfuhrverbote denkbar. Hierfür lägen derzeit „alle Optionen auf dem Tisch“, sagte Reinhold.

Auch in der deutschen Wirtschaft gibt es Stimmen, die die Ausfuhren nach Russland verteidigen. Zum Teil gehe es hier um Güter, die von der russischen Ölförderindustrie genutzt würden, sagte ein Verbandsvertreter, der nicht namentlich zitiert werden wollte. „Es ist für Russland relativ schwierig überhaupt einen Antrag durchzubekommen“, versicherte ein anderer Industrieexperte.

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Ausweislich der eigenen Aufstellung der Bundesregierung für das Jahr 2020 kamen im Fall von Russland anders als bei den anderen großen Empfangsländern aber noch 130 Genehmigungen für weitere sogenannte nicht gelistete Dual-Use-Güter „und für Güter nach Embargoverordnungen“ hinzu. Hier ging es um Ausfuhren im stolzen Wert von weiteren gut 660 Millionen Euro.

Wegen der seit 2014 geltenden EU-Sanktionen gegen Russland gehört es zu den Bestimmungsländern, für die auch bei nicht explizit gelisteten Gütern mit möglicher militärischer Verwendung Ausfuhrbescheinigungen notwendig sind. Zu diesen Gütern gehören zum Beispiel große Dieselmotoren, mit denen sich Kriegsschiffe antreiben lassen.

Offenbar haben sich die Dual-Use-Ausfuhren nach Russland von einem sehr hohen Niveau in der jüngeren Vergangenheit langsam auf das heute immer noch hohe Level hinunterbewegt. Im Jahr der Krim-Besetzung 2014 lag Russland mit Dual-Use-Exporten über 520 Millionen Euro noch auf Platz zwei, hinter China mit 1,9 Milliarden Euro.

Dual-Use-Exporte sind – ähnlich wie klassische Rüstungsexporte - daran gebunden, dass die Firma oder Behörde im Empfängerland eine Endverbleibserklärung abgibt. Allerdings ist der Beweiswert von solchen Erklärungen umstritten. „Endverbleibserklärungen sind ein stumpfes Schwert“, sagt Simone Wisotzki von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. „Gerade weil sich die Sanktionen gegen die russische Militärpolitik richten, kann man dortigen Zusagen über die Endverwendung nicht trauen“, urteilt der Erlanger Rechtsprofessor Wegener.

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In den vergangenen Jahren flogen wiederholt Geschäftsleute auf, die Maschinen oder andere Gerätschaften für das russische ABC-Waffenprogramm nach Russland geschleust hatten und dem Bafa dazu falsche Endverbleibserklärungen vorgelegt hatten. Zuletzt verurteilte im vergangenen Jahr das Oberlandesgericht Hamburg zwei Männer zu Haftstrafen, die Fräsmaschinen für einen russischen Rüstungskonzern beschafft hatten. Im Hintergrund stand laut Gericht eine von Moskau „geheimdienstlich gesteuerte Beschaffungsstruktur“.

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