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Die Lage am Morgen Gutes Klima mit einem Fossil-Autokraten?

Heute geht es um den Besuch des aserbaidschanischen Machthabers in Berlin, die Vorbereitungen für die Rafah-Offensive und die Folgen der Entscheidung im Fall Weinstein.

Passen Klimaschutz und eine Fossil-Autokratie zusammen?

Heute tritt Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew beim Petersberger Klimadialog auf. Vorbereitet werden soll die Weltklimakonferenz COP29 im November, und die wichtigsten Fragen lauten: Wie wird die Energiewende in ärmeren Staaten finanziert? Wer zahlt für Klimaanpassungen, für Schäden nach Dürren, Stürmen und Flutkatastrophen?

Präsident Alijew küsst in der zurückeroberten Region Bergkarabach die Flagge seines Landes

Foto: dpa

Die USA, Europa, Kanada und Japan werden die Hauptlast tragen müssen – sie sind die größten Verursacher von Treibhausgasen. Aber auch Schwellenländer wie China oder die Golfstaaten sollen in die Pflicht genommen werden. Ohne deutlich mehr Geld könnte der Klimaschutz ausgebremst werden und der Klimagipfel scheitern.

Umso wichtiger wären vom Klimaschutz überzeugte Verhandlungsführer. Doch mit Aserbaidschan ist der diesjährige Ausrichter der Weltklimakonferenz – nach Ägypten und Dubai – erneut ein autoritäres Land, das vom Export von Öl und Gas lebt. Zudem hat Baku erst vor einem halben Jahr das umstrittene Gebiet Bergkarabach zurückerobert und mehr als 100.000 Armenier vertrieben. Nicht zuletzt soll das Regime jahrelang deutsche und europäische Abgeordnete bestochen haben. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat im Januar deshalb Anklage gegen zwei ehemalige Unionspolitiker erhoben.

Für Scholz ist Aserbaidschan trotz allem ein »Partner von wachsender Bedeutung«. Weshalb er Alijew gleich im Anschluss im Kanzleramt empfangen wird, zum Gespräch über »Wirtschafts- und Energiepolitik«. Realpolitisch ist das vielleicht nötig, glaubwürdig macht das die Klimadiplomatie nicht.

Katastrophe mit Ansage

Seit Monaten droht Israel, Rafah im Süden des Gazastreifens einzunehmen. Nun laufen offenbar die Vorbereitungen. Ein Armeeeinsatz wäre für die mehr als eine Million Menschen dort eine Katastrophe, sie wissen nicht, wohin. Viele Häuser sind zerstört, schon jetzt gibt es kaum Strom und Zugang zu Sanitäranlagen. Nahrung und Trinkwasser sind knapp.

Ein Zelt steht auf den Ruinen eines zerbombten Hauses in Rafah

Foto: Mohammed Abed / AFP

»Eine Großoffensive auf Rafah darf es nicht geben«, sagte Außenminister Annalena Baerbock im März, und auch US-Präsident Joe Biden warnte, dies wäre ein »Fehler«.

Doch die israelische Regierung hält die Offensive für nötig, um die Hamas zu besiegen. Tausende ihrer Kämpfer und die Anführer sollen sich – womöglich mit den israelischen Geiseln – in die Tunnel unter Rafah zurückgezogen haben. Der Einmarsch könnte jedoch kleiner ausfallen als ursprünglich geplant, die Armee die Stadt nach und nach einnehmen.

Dass die Hamas damit wirklich besiegt wird, ist unwahrscheinlich. In mehr als 200 Tagen Krieg ist das bisher nicht gelungen. Und selbst wenn alle Kämpfer getötet würden: Eine ganze Generation traumatisierter Kinder und Jugendlicher dürfte sie bald ersetzen, wenn sie keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft haben. Und danach sieht es leider nicht aus.

Ein Rückschlag für #MeToo

Wie geht es weiter mit #MeToo, nachdem das Urteil gegen Harvey Weinstein wegen Verfahrensfehlern aufgehoben wurde? Weinstein, so viel ist klar, kommt nicht frei, da er in Los Angeles zu weiteren 16 Jahren Haft in einem anderen Fall verurteilt worden ist. Trotzdem wird die Entscheidung des Berufungsgerichts Folgen haben.

Angeklagter Weinstein im New Yorker Gericht im Jahr 2020

Foto:

Brendan McDermid / REUTERS

Die Richterin Madeline Singas, die gegen die Aufhebung des Urteils gestimmt hatte, warnte in einer Stellungnahme: Die Entscheidung »hält überholte Vorstellungen von sexueller Gewalt aufrecht und ermöglicht es Tätern, sich der Verantwortung zu entziehen«. Auch einige Opfer Weinsteins äußerten sich entsetzt.

Der Hauptgrund für die Aufhebung: Andere Frauen, die von Weinstein belästigt worden waren, hatten als Zeuginnen ausgesagt, allerdings waren diese Vorwürfe nicht Teil des Verfahrens. Dadurch, so die Richter nun, sei der Prozess nicht fair gewesen.

Dabei ging es eben genau darum, dass andere Frauen Weinsteins Beuteschema durch die Erzählung ihrer eigenen Missbrauchserlebnisse bestätigten – und damit die Glaubwürdigkeit des Opfers stärkten. Wenn das künftig nicht mehr möglich sein sollte, könnten es Opfer sexueller Gewalt vor US-Gerichten noch schwerer haben.

Lesen Sie hier den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel

  • Hochnäsige Unkenntlichkeit: Die Ampelkoalition steht so ziemlich für gar nichts, weil Käpt’n Scholz die Mannschaft verloren hat. Der Bundeskanzler hat bislang enttäuscht. Er sollte endlich Führung zeigen. 

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Gewinner des Tages…

Flagge der Fischtown Pinguins in Bremerhaven

Foto: Sina Schuldt / dpa

...ist Bremerhaven. Eine Stadt, die sonst meist da vorn liegt, wo man es nicht will: bei Arbeitslosigkeit, Armut, Verschuldung. Und die jetzt ganz vorn mitspielt bei der Meisterschaft der Deutschen Eishockey Liga.

Die heimischen Fischtown Pinguins spielen schon ein paar Jahre eher unauffällig in der ersten Liga mit, nun haben sie es überraschend ins Finale geschafft. Heute findet das womöglich entscheidende Spiel in Bremerhaven statt. Der Rekordmeister Eisbären Berlin führt 3:1 in der Playoff-Finalserie und wäre mit einem Sieg heute zum zehnten Mal Meister. Gewinnen die Pinguine, wäre das eine Sensation – und die Meisterschaft weiter offen.

Ganz Bremerhaven ist im Fischtown-Fieber, und selbst ein zweiter Platz würde sich wohl wie ein Sieg anfühlen in dieser Stadt.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

Diesen Text möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

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Illustration: Sebastian Rether / DER SPIEGEL

Heul doch! Wenn Männer krank sind, hört man(n) oft aus gespitztem Mund, leicht spöttisch: Geht’s hier wirklich um den kranken Mann – oder nur um gekränkte Männlichkeit? »Ich hatte in meinem Leben schon mit ziemlich vielen Krankheiten zu kämpfen«, schreibt mein Kollege Markus Deggerich in seinem Essay über Männergesundheit. »Und ich habe sehr schmerzhaft lernen müssen, dass sie immer auch mit meinem Kopf zu tun hatten. Mit meinen psychischen Prägungen, meinen Kämpfen und der aktuellen Stellung im Leben. Von Krebs über Herz, vom Rücken durch die Knie bis zum Hoden: Es ist immer der ganze Mann krank.« Was er rät und was hinter der vermeintlichen Tapferkeit steckt, lesen Sie hier.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag!

Ihre Juliane von Mittelstaedt, stellvertretende Ressortleiterin Ausland