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Die Lage am Morgen Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu feiern

Heute geht es um die Frage, was der FDP-Parteitag über die Zukunft der Ampel verrät, um den unsichtbaren AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl und den »Freedom Day« in Südafrika.

Will Christian Lindner die Koalition aufkündigen?

Was wird er sagen? Und was wird er nicht sagen? Beim heutigen Parteitag der FDP wird jeder Halbsatz des Parteivorsitzenden unter die Lupe genommen werden. Schon seit Monaten steht die Frage im Raum, ob Lindner die Ampelkoalition sprengen will, aber insbesondere seit Montag, als die Liberalen ein Papier mit dem Titel »12 Punkte zur Beschleunigung der Wirtschaftswende« vorstellten. In der Opposition wollte man das als »Scheidungsurkunde« lesen.

FDP-Parteichef Lindner

Foto: Michael Kappeler / dpa

Es ging darin um Kürzungen beim Bürgergeld, Steuererleichterungen und die Abschaffung der Rente mit 63, nichts anderes als ein Gegenprogramm zum Koalitionsvertrag. Alles nur Kulissenschieberei vor dem Parteitag, um die Unzufriedenen an der Basis zu besänftigen, danach aber weiterzuregieren? Dafür spricht viel, schließlich droht die FDP ansonsten in der Opposition zu sitzen, gar ganz aus dem Bundestag zu verschwinden. Oder hält sich Lindner an sein Diktum von 2017, als er die Jamaika-Verhandlungen platzen ließ mit den Worten, dass es besser sei, nicht zu regieren als falsch zu regieren? Darüber dürften selbst seine Parteifreunde rätseln.

»Der FDP-Chef gefällt sich in der Rolle des ›Mad Man‹ der Ampel«, schreibt mein Kollege Rasmus Buchsteiner in seinem heutigen Kommentar. »Lindners Kalkül: Die Liberalen sollen als Player schwer auszurechnen sein. Man soll ihnen alles zutrauen – auch irrationales Handeln.«

Lindner hat es jedenfalls geschafft, dass das politische Berlin den Parteitag gespannt verfolgen wird. Cliffhanger nicht ausgeschlossen.

Der unsichtbare Kandidat

Eigentlich hätte er heute auf der Bühne in Donaueschingen stehen soll, bei der Auftaktveranstaltung für den Europawahlkampf der AfD: Maximilian Krah, Spitzname »Schampus-Max«, bekennender Antifeminist (»Feministinnen sind alle hässlich und grässlich«), ist der Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl.

Der sehr sichtbare AfD-Abgeordnete Krah am Mittwoch vor dem Bundestag

Foto: Sean Gallup / Getty Images

Doch seit ein Mitarbeiter von Krah als mutmaßlicher chinesischer Spion enttarnt und festgenommen wurde – und auch Krahs womöglich allzu große Nähe zu den autokratischen Regimen in Moskau und Peking ins Scheinwerferlicht geriet –, versteckt die AfD ihren Spitzenkandidaten nun lieber.

Ihm wurde, so heißt es aus der AfD, ein Auftrittsverbot erteilt, offenbar soll er bis zur Wahl weitestgehend aus der Öffentlichkeit ferngehalten werden. Auch die Ausstrahlung von Werbespots soll angeblich eingeschränkt werden. Spitzenkandidat darf er aber bleiben. Krah soll nicht einsichtig gewesen sein, heißt es aus Parteikreisen, wie meine Kollegen berichteten (mehr dazu hier). Auf die Idee, ihn zum Rücktritt aufzufordern, kam offenbar keiner.

Es wird interessant sein, wie die Chefs einer EU-feindlichen Partei heute in Donaueschingen das Kunststück vollbringen, Europawahlkampf zu machen – und dabei ihren wichtigsten Europaabgeordneten zu verstecken.

Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu feiern

Vor 30 Jahren endete in Südafrika die Apartheid. Am 27. April 1994 fand die erste freie Wahl statt, dieser Tag heißt seither »Freedom Day« und ist ein Feiertag. Aber nicht allen ist zum Feiern zumute. In kaum einem Land weltweit ist der Wohlstand so extrem ungleich verteilt wie in Südafrika. Rund 70 Prozent des Farmlandes gehören weißen Südafrikanern, die nur rund sieben Prozent der Bevölkerung ausmachen. Das Bildungs- und das Gesundheitssystem liegen am Boden, die Infrastruktur ist marode, die Arbeitslosigkeit hoch.

Unterstützer der Partei »Rise Mzansi« in Johannesburg

Foto: Ilvy Njiokiktjien / DER SPIEGEL

»Die Apartheid wurde zwar politisch beendet«, sagt Lawrence Manaka, »ökonomisch gibt es sie noch immer.« Afrika-Korrespondent Fritz Schaap hat den Jungpolitiker in Johannesburg getroffen, er hat die Partei »Rise Mzansi« (»Erhebe dich, Südafrika«) mitgegründet, für die er bei den Wahlen Ende Mai kandidiert. Wie viele seiner Mitstreiter ist Manaka ein »Born Free«, er wurde nach dem Ende der Apartheid geboren. Seine Generation sei enttäuscht vom regierenden ANC, einst als Befreiungsbewegung begründet, aber inzwischen, so sagt es Manaka, »eine Bande von Dieben«.

DER SPIEGEL 18/2024

Moskaus Marionetten

Geldzahlungen aus Russland, Agenten einer fremden Macht in den eigenen Reihen? Die AfD versinkt immer tiefer in einem Sumpf aus Spionagevorwürfen und Korruptionsverdacht. Vor den Europawahlen im Juni entlarven sich die selbst ernannten Patrioten als Fanklub von Putin und Peking.

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Verlierer der Woche…

…ist Emmanuel Macron. Frankreichs Präsident hat in dieser Woche eine viel beachtete Rede zu Europa gehalten und damit mal wieder seinen Intellekt und sein rhetorisches Talent unter Beweis gestellt. Doch helfen dürfte ihm das bei der Europawahl nicht. Da liegt die Kandidatin seiner Partei weit abgeschlagen hinter dem neuen Shootingstar der französischen Politik: Jordan Bardella, 28, ist der Vorsitzende des rechtspopulistischen Rassemblement National und dessen Spitzenkandidat für die Europawahl. Der Mann, dessen Mutter einst aus Italien nach Frankreich kam und der in einem Pariser Vorort aufwuchs, könnte für Rechtspopulisten auf dem ganzen Kontinent zum Vorbild werden.

Politiker Bardella mit Fans auf einem Weinmarkt nahe Bordeaux

Foto: Bestimage / IMAGO

Bardella ist jung, radikal – und populär, bei jungen wie bei älteren Wählern. Es gibt einen regelrechten Hype. Wo er auftaucht, machen seine Fans Selfies mit ihm. Vor einigen Monaten haben die Franzosen und Französinnen Bardella unter die 50 beliebtesten Persönlichkeiten des Landes gewählt, als einzigen Politiker. Sein Ziel: 2027 soll die Präsidentin Marine Le Pen heißen und der Premierminister Jordan Bardella. Unrealistisch ist das leider nicht mehr.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

Diese Geschichte möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

Fuhrpark im Berliner Regierungsviertel

Foto: Urs Moser / Jürgen Ritter / IMAGO

Der Schwindel mit dem E-Nummernschild: Ist Ihnen schon aufgefallen, wie viele große und schwere Autos von Mercedes, BMW und Porsche ein Nummernschild mit E am Ende haben? E für Elektro. In Wahrheit verbirgt sich dahinter meist ein Hybrid. Mein Kollege Alexander Neubacher hat diesen Schein-Ökos auf vier Rädern seine Kolumne gewidmet. Sein düsteres Fazit: Die dicken Autos mit dem E sind ein Sinnbild für die Klimapolitik der Ampelkoalition. Sieht grün aus, stinkt aber gewaltig .

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

Ihre Juliane von Mittelstaedt, stellvertretende Ressortleiterin Ausland