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Die Lage am Morgen Würde die CDU das Wagenknecht-Experiment wagen?

Heute geht es um Karl Lauterbachs Krankenhausreform. Sahra Wagenknechts Plan für Sachsen. Und die Drohung der Union mit einem AKW-Untersuchungsausschuss.

Lauterbachs Großreform im Kabinett

Wenn es nach Karl Lauterbach ginge, seine Krankenhausreform wäre schon längst in trockenen Tüchern. Doch das lang angekündigte Vorhaben hat Verspätung, auch wegen Lauterbachs Streit mit den Ländern. Heute geht die Reform durchs Kabinett.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach

Foto: Kay Nietfeld / picture alliance / dpa

Der Gesundheitsminister will weg von den Fallpauschalen, die die Kliniken dazu zwingen, möglichst viele Behandlungen zu machen. Außerdem setzt er auf mehr Spezialisierung. Damit Kliniken bestimmte Leistungen anbieten dürfen, müssen sie künftig klare Qualitätskriterien erfüllen.

Die Einschätzung meiner Kollegin Milena Hassenkamp: Eine sinnvolle Umstrukturierung sei notwendig, damit spezielle Operationen nur von den Ärzten vorgenommen werden, die es auch können. »Dabei dürfen sich die Länder nicht rausmogeln«, meint sie. »Es darf aber auch keine Unterversorgung entstehen. Etwa wenn die eine Klinik bestimmte OPs nicht mehr durchführen darf, weil sie die Qualitätsanforderungen nicht erfüllt, und die andere keine Kapazitäten hat, mehr Patienten zu behandeln.«

Die Länder haben ihren Widerstand gegen Lauterbachs Pläne noch nicht aufgegeben. Der Minister hat seine Reform zwar so angelegt, dass sie nicht mehr zustimmen müssen. Allerdings hat ein Gutachten im Auftrag mehrerer Länder ergeben, eine Klinikreform ohne Zustimmung des Bundesrates berge »das Risiko einer formellen Verfassungswidrigkeit«. Bayern hat bereits angekündigt, gegen das Vorhaben klagen zu wollen. Der Ärger für den Minister geht also weiter.

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Wagenknechts Plan für Sachsen

Was will das Bündnis Sahra Wagenknecht? Bislang gilt die Partei als Blackbox. Doch für Sachsen wird das BSW jetzt erstaunlich konkret. Meinem Kollegen Rasmus Buchsteiner liegt das BSW-Programm für die Landtagswahl vor, das die Partei am Samstag beschließen will.

Parteigründerin Sahra Wagenknecht

Foto: Bernd Elmenthaler / Geisler-Fotopr / picture alliance / Geisler-Fotopress

Wichtigstes Thema – wenig überraschend: Frieden. Im Programm fordern die Wagenknecht-Leute einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine und sprechen sich etwa gegen die Entsendung von Soldaten sächsischer Standorte an die Nato-Ostflanke aus. Sie wollen außerdem die Abschiebung zugewanderter Intensivtäter, eine Ostdeutschen-Quote für den öffentlichen Dienst und keine Erhöhung der Rundfunkgebühren. »Wagenknecht und ihre Partei greifen sich gezielt Themen heraus, die im Osten polarisieren«, sagt Rasmus.

Wagenknecht macht im Vorwort außerdem klar: Das BSW will in Sachsen regieren. Am Wahlprogramm selbst dürfte es nicht scheitern. Mit ihrer Kritik an Waffenlieferungen und dem Ruf nach einer diplomatischen Lösung für die Ukraine ist die Partei anschlussfähig an den Kurs von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Aber ob sich der CDU-Mann auf ein Experiment mit der populistischen und komplett regierungsunerfahrenen Partei einlassen würde? In einem Szenario, in dem als alternativer Koalitionspartner nur die AfD bliebe, sicherlich nicht ausgeschlossen.

Union setzt Habeck unter Druck

CDU, CSU und die Atomkraft: Das ist ein spezielles Verhältnis. Einst war es die Union, die nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima den Ausstieg aus der Technologie besiegelte. Mittlerweile hat sie sich zur Verteidigerin der Atomkraft aufgeschwungen, sie nutzt das Thema, um sich zu profilieren – und die Ampel unter Druck zu setzen.

Das stillgelegte Atomkraftwerk Isar 2 in Bayern

Foto: Peter Widmann / IMAGO

Die Union hat heute eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt. Es geht um den Vorwurf, in den Häusern von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke habe es 2022 eine politische Einflussnahme auf die Bewertung von Fachleuten gegeben. Damals wurde diskutiert, ob wegen der Energiekrise die letzten verbliebenen drei Atomkraftwerke länger laufen sollen.

Beide Ministerien weisen die Vorwürfe zurück. Die Unionsfraktion will trotzdem weiter dem Verdacht nachgehen, in den Grünen-Häusern sei nicht ideologiefrei entschieden worden. CDU und CSU glauben, Widersprüche zwischen den Darstellungen der Ministerien und denen der AKW-Betreiber zu erkennen. CDU-Chef Friedrich Merz stellt sogar einen Untersuchungsausschuss in den Raum für den Fall, dass weiter »unzureichende oder lückenhafte Antworten« aus der Bundesregierung kämen.

Nur eine Drohkulisse? Die 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten, die es für die Einsetzung eines U-Ausschusses braucht, hat die Union. Aber sie scheint bislang nicht wild entschlossen, zu dem aufwendigen Instrument zu greifen.

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  • Europa darf Georgien nicht Putin überlassen: Die Regierung in Tiflis scheint an einem EU-Beitritt kein Interesse mehr zu haben, doch die Mehrheit der Menschen in Georgien wünscht sich eine Zukunft in Europa. Brüssel darf sie jetzt nicht im Stich lassen. 

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Gewinner des Tages…

...sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der internationalen Konferenz zu Long Covid und ME/CFS, auch Chronisches Fatigue-Syndrom genannt. Sie findet heute und morgen online statt. Neben Patienten sind Wissenschaftler zugeschaltet, die über ihre neuesten Erkenntnisse berichten. Karl Lauterbach schickt eine Videobotschaft. Das Ziel: die mangelhafte Forschung und Versorgung verbessern.

Frau mit FFP2-Maske

Foto: Swen Pförtner / picture alliance / dpa

Viele der Betroffenen sind wie aus dem Leben gerissen: Zum Teil können sie nur liegen, auf kleinste Anstrengungen folgt ein Crash. Gerade hat der Kollege Tim Braune von der »Rheinischen Post« einen berührenden Text über sein Leiden veröffentlicht. »Ich bin nur noch ein Gespenst, das lautlos weint«, schreibt er darin . Besonders bitter: Oft fühlen sich die Patienten mit ihrer Krankheit alleingelassen und nicht ernst genommen. Womöglich kann die Konferenz unter dem Motto »Unite to fight« etwas dazu beitragen, dass sich das irgendwann ändert.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

Diesen Text möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

Reichstag in Berlin – 1945 und 2024

Foto:

[M] DER SPIEGEL; Fotos: KEYSTONE / laif; Kay Nietfeld / dpa

»Keine Atempause, Geschichte wird gemacht«: Dutschke bei der Vietnamkrieg-Demo 1968. Kanzler Brandts Kniefall. Das Sommermärchen 2006 – sofort ist ein Bild im Kopf. Meine Kollegen Eva-Maria Schnurr und Felix Bohr haben den Fotoschatz der Bundesrepublik gesichtet und die prägendsten Momente für Sie zusammengetragen und kommentiert. Der Grund? Ein Jubiläum: 75 Jahre Grundgesetz, 75 Jahre Demokratie. Längst nicht alles lief glatt, klar. Aber trotzdem: ein Grund zum Feiern. Die Meilensteine in Bildern, bitte hier entlang. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Maria Fiedler, stellvertretende Leiterin des SPIEGEL-Hauptstadtbüros