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Die Lage am Morgen Wie schnell wird die Bundeswehr kriegstüchtig?

Heute geht es um eine neue Kommandostruktur für die Bundeswehr, das Ringen um einen Geiseldeal mit den Menschenfeinden von der Hamas und die Rückkehr des alten Außenministers Frank-Walter Steinmeier.

Ringen um die Geiseln der Hamas

Wenn Sie sich mal für ein paar Sekunden in die Situation hineinzufühlen versuchen, in der sich die Geiseln der Hamas-Terroristen jetzt, genau in diesem Augenblick wohl befinden könnten, Sie werden es nicht ertragen. Seit mehr als 200 Tagen werden noch immer 134 Menschen als Geiseln festgehalten. Wie viele von ihnen noch leben? Das weiß niemand.

Außenministerin Baerbock, deutscher Botschafter Seibert im Gespräch mit Angehörigen israelischer Geiseln, im April in Jersualem

Foto: Kira Hofmann / photothek / IMAGO

Nun scheint aber etwas in Bewegung zu geraten. Der britische Außenminister David Cameron hat gestern von einem israelischen Vorschlag berichtet: 40 Tage lang Feuerpause, »möglicherweise Tausende« gefangene Palästinenser gegen Geiseln der Hamas. Das Einzige, was die Menschen in Gaza jetzt von einer Waffenruhe trenne, das sei die Hamas, sagt US-Außenminister Antony Blinken. Eine Hamas-Delegation soll am Montag in Kairo eingetroffen sein, um zu verhandeln.

Unter den Geiseln vermutet die Bundesregierung mehrere deutsche Staatsbürger, von einer niedrigen zweistelligen Zahl ist die Rede. Das haben meine Kollegen Christoph Schult und Matthias Gebauer recherchiert.

Bemerkenswert: Westliche Geheimdienste gehen davon aus, dass eine größere Gruppe der Geiseln, darunter wohl auch deutsche Staatsbürger, gar nicht von der Hamas, sondern von anderen Palästinenser-Organisationen im Gazastreifen festgehalten werden. Demnach gibt es Hinweise, dass Geiseln bei Familien von islamistischen Kämpfern festgehalten werden.

Pistorius bekommt seinen Erlass

Nur drei Bundesverteidigungsminister vor Boris Pistorius durften sich bislang mit eigenen Erlassen schmücken. Vom Hamburger Helmut Schmidt stammt der »Blankeneser Erlass«, der Niedersachse Peter Struck ließ den »Berliner Erlass« folgen, der Wahldresdner Thomas de Maizière veröffentlichte den »Dresdner Erlass«.

Verteidigungsminister Pistorius

Foto: Christoph Hardt / Panama Pictures / IMAGO

Und nun raten Sie mal, welchen Namen der Bundeswehrerlass des Osnabrückers Boris Pistorius tragen wird. Genau.

Pistorius will die Bundeswehr mit seiner Reform »kriegstüchtig« machen, so hat er es angekündigt. Heute unterzeichnet der Minister seinen »Osnabrücker Erlass«, der die Truppe in der Kommandostruktur neu aufstellen soll.

Bei der Bedeutung des Dokuments sparten Pistorius und seine Leute nicht mit Superlativen, da ist von einem »weiteren Meilenstein« der Zeitenwende die Rede. »Das ist typisch für seine Amtsführung, ein bisschen Show darf nie fehlen«, sagt mein Kollege Matthias Gebauer, der sich bei uns um Verteidigungspolitik kümmert: Doch oftmals blieben Pistorius’ Taten hinter den von ihm selbst geschürten Erwartungen zurück. Man wird sehen.

Tatsächlich wird Pistorius mit dem Erlass einiges in der Bundeswehr verändern. Nach Jahren der Ausrichtung auf Auslandsmissionen wie in Afghanistan oder Mali soll sich die Truppe wieder voll auf die Landes- und Bündnisverteidigung konzentrieren. »Dafür verschmilzt Pistorius die bisher zwei Kommandostellen fürs In- und Ausland und organisiert die Sanität und den Unterstützungsbereich neu«, erklärt Matthias.

Und: Für die mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht soll mit der Reform ebenfalls vorgesorgt werden. Pistorius will dazu noch in der laufenden Legislatur eine Entscheidung treffen. Allerdings nur eine Richtungsentscheidung.

Steinmeier in Prag

Es ist noch gar nicht so lange her, da warnte ein deutscher Außenminister namens Frank-Walter Steinmeier die Nato vor »Säbelrasseln und Kriegsgeheul« in Osteuropa. Auf dass man Russland nicht Vorwände für eine Konfrontation liefere.

Bundespräsident Steinmeier bei Ankunft in Prag

Foto: Britta Pedersen / dpa

Das war im Juni 2016. Im Rückblick wissen wir, wie falsch Steinmeier (und die damalige unionsgeführte Bundesregierung) mit seiner Russlandpolitik lag.

Heute ist er als Bundespräsident den zweiten Tag zu Besuch in Prag, feiert dort das 20-jährige Jubiläum der tschechischen EU-Mitgliedschaft. Die Tschechen haben der Ukraine gerade 800.000 Artilleriegranaten aus Staaten außerhalb der EU organisiert, Deutschland beteiligt sich finanziell.

Steinmeier jedoch wird in Tschechien verfolgt von einer deutschen Debatte. Der Bundespräsident hatte am Freitag auf einer Veranstaltung der »FAZ« die Entscheidung von Kanzler Olaf Scholz verteidigt, keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Er tat das mit einer Wortwahl, die eher an den früheren Außenminister erinnerte: »Die Militärexperten, die Kaliberexperten« würden die Taurus-Debatte »mit Ausgelassenheit und wachsendem Ehrgeiz« führen.

So wertet man Gegenargumente ab. Ist das eines Bundespräsidenten würdig, der sich der tagespolitischen Auseinandersetzung enthalten sollte? Sicher nicht. Steinmeier steht jetzt in der Kritik, aus den Reihen der Ampel wie der Union.

Vielleicht macht er es heute besser, mit seiner Rede zu jenem 20-jährigen Jubiläum. Wohl wird er die Ukraine erwähnen, vielleicht auch lobend die Lieferung der Artilleriegranaten.

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Monica Lewinsky (2022)

Foto: Patrick T. Fallon / AFP

…ist Monica Lewinsky. Denn die heute 50-Jährige erinnert mit einem Post auf Instagram daran, dass sie zum #MeToo-Opfer wurde, bevor es die #MeToo-Bewegung gab. Lewinsky zitiert eine Songzeile aus Taylor Swifts neuem Album: »You wouldn’t last an hour in the asylum where they raised me«, also »Du würdest keine Stunde in der Irrenanstalt überleben, in der sie mich aufgezogen haben«. Lewinsky stellte eine Ansicht vom Weißen Haus dazu. Damit ist alles gesagt. Oder brauchen Sie noch ein Hashtag? Bitte sehr: #BillClinton.

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Changyu Pioneer

Bordeaux-Imitat made in China: Kleidung, Elektronik, Industriegüter – die Volksrepublik überschwemmt den europäischen Markt mit ihren Produkten. Chinesischer Wein dagegen ist bei uns noch weitgehend unbekannt. Jetzt drängt der Weinkonzern Changyu auf den Kontinent. Er will Topweine produzieren, so gut wie aus Frankreich. Das Bordeaux-Imitat namens »Purple Air Comes from the East« wurde von der britischen Weinkritikerin Jancis Robinson mit Spitzennoten bedacht. Auch preislich spielt dieser Rotwein in der oberen Liga: rund 200 Euro pro Flasche. Mein Kollege Leo Klimm hat sich genauer mit den Plänen des Unternehmens befasst .

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Sebastian Fischer, Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros

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