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Die Lage am Morgen Wo ist eigentlich die SPD-Spitzenkandidatin?

Heute geht es um Katarina Barley, die die SPD auffällig unauffällig in die Europawahl führt, um die Rebellion dreier Ministerinnen gegen Christian Lindner, den Fußball-Wonnemonat Mai sowie eine CDU-Linken-Politfreundschaft.

Ministerinnen gegen Lindner

Bis gestern mussten die Ministerinnen und Minister bei Finanzchef Christian Lindner ihre Budgetbedürfnisse für 2025 anmelden. Heute, beim Blick in die Dokumente, dürfte Lindner nicht erfreut sein. Denn insbesondere jene drei Ministerinnen, die sich neben dem Verteidigungsminister um die äußere und innere Sicherheit Deutschlands kümmern, sind auf den Barrikaden.

Außenministerin Baerbock, Innenministerin Faeser

Foto: Maja Hitij / Getty Images

Außenministerin Annalena Baerbock, Innenministerin Nancy Faeser und Entwicklungsministerin Svenja Schulze hatten offenbar eine grobe Absprache, wie ein Team um meine Kollegen Christoph Schult und Rasmus Buchsteiner recherchiert hat: Man werde nicht, wie von Lindner erwartet, bis zum 2. Mai Budgetbedürfnisse anmelden, die sich an den Vorgaben des Finanzministeriums orientieren.

Im Einzelnen sieht das jetzt so aus:

  • Lindner will Baerbocks Budget um fast ein Viertel auf 5,1 Milliarden Euro schrumpfen. Baerbock hat stattdessen 7,39 Milliarden angemeldet: Für humanitäre Hilfe veranschlagt sie 2,2 Milliarden Euro, für Krisenprävention 400 Millionen, für die Ukraine 800 Millionen Euro.

  • Schulze sollte knapp 10,3 Milliarden Euro bekommen, angemeldet hat sie rund 12,2 Milliarden.

  • Faeser hätte nach Lindners Plänen nur 12,2 Milliarden Euro zur Verfügung, 1,2 Milliarden weniger als im laufenden Jahr.

Und nun? Wird verhandelt. Und gestritten. Das kann die Ampel.

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Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?

Der SPD droht ein verregnetes Ergebnis bei den Europawahlen im Juni. Laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend dümpelt sie bei 14 Prozent – das wäre noch mal weniger als die historisch schlechten 15,8 Prozent bei der EU-Abstimmung 2019.

SPD-Wahlplakat mit Kanzler Scholz, Kandidatin Barley

Foto: Tobias Schwarz / AFP

Auffällig unauffällig erscheint in diesem Wahlkampf die Spitzenkandidatin Katarina Barley. Heute Nachmittag laden die europäischen Sozialdemokraten (SPE) zu einem »Europafest« nach Aachen. Mit dabei: SPD-Chef Lars Klingbeil, Entwicklungsministerin Svenja Schulze, Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Nicolas Schmit, der gesamteuropäische SPE-Spitzenkandidat. Nicht dabei: Barley. »Aus terminlichen Gründen«, wie es heißt.

»Ein Europafest ohne Barley und auf Plakaten wird sie meist nur gemeinsam mit dem Kanzler gezeigt – das wirkt so, als vertraue die SPD selbst nicht wirklich auf ihre Spitzenkandidatin«, meint meine Kollegin Sophie Garbe, die sich bei uns um die Sozialdemokratie kümmert.

Einmal dürfte Barley eine breitere Öffentlichkeit in Deutschland zuletzt dennoch erreicht haben: Als sie europäische Atomwaffen in Erwägung zog. In der SPD und im Kanzleramt war man über die Debatte aber nicht so glücklich. Sie kontrastiert mit dem Image, das man sich gerade zuzulegen sucht: »Die SPD setzt auf eine Positionierung als Friedenspartei – auch, um das Thema nicht den extremen Rändern rechts und links zu überlassen«, sagt Sophie.

Nun warten alle in der SPD auf die Wirkung. Und den Sommer.

Bester Fußballmonat

Im wunderschönen Monat Mai ist immer was los. Die einen kämpfen gegen den Abstieg, die anderen um den Aufstieg, und auch das DFB-Pokalfinale steht an. Schon klar, liebe Leute aus Leverkusen, für manche ist bereits im April Mai.

Der Höhepunkt der Champions-League-Saison fällt nur knapp in den Juni, aber im Ernst, wen interessiert schon der Wettbewerb der Immergleichen? Die vermeintliche Königsklasse ist doch nur in ihren ersten Runden interessant.

Bundesligaspiel Union Berlin gegen Bayern München

Foto: Annegret Hilse / REUTERS

Dagegen heute Abend, Hamburger Stadtderby: Der HSV empfängt St. Pauli, ausverkauft ist das Volksparkstadion. Gewinnt St. Pauli, dann ist der Verein aufgestiegen in die Bundesliga. Oder Samstag: Da kämpfen Union Berlin und Bochum gegeneinander und jeder für sich gegen den Abstieg in die Zweitklassigkeit. Und Bayern München hat nichts mehr zu gewinnen in der Liga, außer einen neuen Trainer. Ralf Rangnick wird er schon mal nicht heißen, so viel ist seit gestern klar.

Sie interessieren sich gar nicht für Fußball? Machen Sie im Mai mal eine Ausnahme. Es gab schon Jahre, da hat mich Fußball weniger interessiert, aber im Mai war ich doch immer am Start. Und im Sommer gibt es in diesem Jahr noch eine Europameisterschaft im eigenen Land obendrauf. Ist das Eventietum? Egal. Auf jeden Fall ist es: gute Unterhaltung.

Lesen Sie hier den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel

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Gewinner des Tages…

...ist der Linkenpolitiker Bodo Ramelow. Der nach Jahren von Chaos und Spaltung seiner Partei in Umfragen zurückgefallene Noch-Ministerpräsident Thüringens bekommt nun Hilfe von einem alten politischen Weggefährten. Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther. Der sprach sich in der »FAZ« für eine Öffnung seiner Partei gegenüber der Linkspartei aus: »Es gibt keine Äquidistanz zur Linkspartei und zur AfD, und Bodo Ramelow ist keine Gefahr für die Demokratie. Er ist ein kluger Mensch, den ich schätze.« Man dürfe Linke und AfD nicht gleichsetzen.

Ministerpräsidenten Ramelow, Günther (im Dezember 2018)

Foto: Kay Nietfeld/ dpa

Das zielt einerseits auf die geltende CDU-Beschlusslage, wonach »Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit« mit Linken und AfD ausgeschlossen sind. Es zielt aber auch gegen die eigenen Leute in Thüringen, wenn auch indirekt. Denn schließlich müht sich CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt, die Wahl zu einem Zweikampf zwischen sich selbst und dem rechtsextremen AfD-Kandidaten Björn Höcke zu machen und Ramelow auszublenden. Günthers Wortmeldung dürfte seinen Parteifreunden in Thüringen also kaum gefallen.

Das ist nicht neu: Für heftige Irritationen in der CDU sorgte ein SPIEGEL-Doppelinterview, das Günther zusammen mit Bodo Ramelow bestritt – und zwar wenige Monate vor der letzten Thüringer Wahl im Jahr 2019. Über den Umgang mit der Linkspartei sagte Günther damals: »Die Zeit der Ausgrenzung ist vorbei.«

Manche Dinge ändern sich nie.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

Diesen Text möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

Muskelmann: Der Traum von altersloser Virilität

Foto:

Oleg_Ermak / Getty Images

Das zweifelhafte Geschäft mit der Hormonpaste für Männer: Die Zahl der Rezepte für Testosteron-Gele in Deutschland ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Die Präparate sollen Männern die verloren geglaubte Virilität zurückgeben. Hersteller haben bei der Markteinführung vor mehr als 20 Jahren die passende Krankheit gleich miterfunden: die Wechseljahre des Mannes. Neue Studien zeigen, dass es mit dem Wundermittel nicht weit her ist. Mein Kollege Jörg Blech hat sich für seine Recherche mit den Ergebnissen der Forschenden beschäftigt und mit Medizinern gesprochen. Cornelia Jaursch-Hancke, Endokrinologin an der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden, sagt: »Die Wechseljahre des Mannes, die gibt es nicht.« 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Sebastian Fischer, Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros