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Die Lage am Morgen Wird die AfD zur Alternative gegen Deutschland?

Heute geht es um die Döner-Diplomatie des Bundespräsidenten, die zu große Nähe von Abgeordneten und Mitarbeitern der AfD zu Russland und China und Europas Begeisterung für das Ruanda-Modell.

Funktioniert die Döner-Diplomatie mit Erdoğan?

Zum Ende seiner dreitägigen Türkeireise trifft Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier heute seinen Gastgeber Recep Tayyip Erdoğan. Darum sollte es an dieser Stelle eigentlich gehen, doch überschattet wird die Weltpolitik vom Döner. Oder genauer: Von einem 60 Kilo schweren, tiefgekühlten Dönerspieß, den Steinmeier im Gepäck hatte, um das 100-jährige Jubiläum der deutsch-türkischen Beziehungen zu feiern. Seitdem die Bilder von Steinmeier in der Welt sind, wie er am Montagabend ungeschickt an dem Spieß säbelt, ergießt sich im Netz der Spott über ihn.

Bundespräsident Steinmeier schneidet unter Anleitung des Berliner Gastronomen Arif Keleş Dönerfleisch

Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

Die Sache mit dem Döner war sicher gut gemeint, wirkt aber vor allem peinlich und trieft vor Klischee. Deutschtürken sind schon lange nicht mehr nur Dönerverkäufer, sondern Impfstoffentwickler, Filmregisseure und Bundesminister. Ob Steinmeier nach Italien auch Pizza mitbringen würde, fragte der WDR-Redakteur Tuncay Özdamar auf X. Ernst genommen, ja auf Augenhöhe behandelt dürften sich türkeistämmige Deutsche auf diese Weise nicht fühlen.

Ob die Döner-Diplomatie bei Erdoğan ankommt, wird sich heute in Ankara zeigen, wo Steinmeier mit militärischen Ehren empfangen wird. Anschließend ist eine Begegnung mit Erdoğan unter vier Augen geplant, danach ein Gespräch im sogenannten Delegationsformat und eine gemeinsame Pressekonferenz.

Protokollarisch ungewöhnlich ist, dass das Treffen erst zum Ende der Reise stattfindet. Angeblich ging es aus Termingründen nicht anders, als Botschaft schwingt jedoch mit: Zuerst kommen die Oppositionellen (die Steinmeier in Istanbul unter anderem zum Döner traf), dann der Mann, der seit fast zweieinhalb Jahrzehnten die Türkei zunehmend autoritär regiert. Das immerhin muss nicht schlecht sein.

Das Gespräch der beiden dürfte dominiert sein vom Gazakrieg und dem Besuch des Hamas-Chefs Ismail Haniyyeh in Ankara vor wenigen Tagen. Der (politische) Anführer einer Terrorgruppe gibt sich mit dem deutschen Bundespräsidenten die Klinke in die Hand – das kann Steinmeier kaum ignorieren. Erdoğan sei ein schwieriger Gesprächspartner, bei dem selbst ein erfahrener Diplomat wie Steinmeier nicht wisse, was er zu erwarten habe, sagt mein Kollege Florian Gathmann, der ihn auf seiner Reise begleitet (mehr zu Steinmeiers Reise hier ).

Steinmeier muss deutliche Worte finden, ohne Erdoğan zu vergrätzen, schließlich ist die Türkei ein zentraler Partner und Mittelsmann nach Teheran und Moskau. Die heiklen Themen Ukrainekrieg, Gaza und Iran dürften in den Gesprächen hinter verschlossenen Türen auf den Tisch kommen. Döner hoffentlich nicht.

Die AfD – eine Alternative gegen Deutschland?

Erst der Abgeordnete Petr Bystron, Nummer zwei der AfD für die Europawahl, der verdächtigt wird, rund 20.000 Euro von einem prorussischen Propagandanetzwerk bekommen zu haben. Dann ihr Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah: Ein Mitarbeiter von ihm soll interne Informationen aus dem Europaparlament an einen chinesischen Geheimdienst weitergegeben und chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben. Gestern wurde er festgenommen. Und: Auch Krah wurde bereits im Dezember vom FBI verdächtigt, Zahlungen von prorussischen Aktivisten erhalten zu haben. Alles nur Zufall?

AfD-Abgeordneter Krah am Dienstag im EU-Parlament in Straßburg

Foto: Jean-Francois Badias / dpa

Dass Politikerinnen und Politiker der AfD eine Schwäche für autoritäre Staaten haben, ist hinlänglich bekannt. Neu ist, wenn sich die Vorwürfe verdichten, dass sie selbst oder ihre Mitarbeitenden aktiv den Sicherheitsinteressen Deutschlands schaden. Für eine Partei, die sich als Vertreterin deutscher Interessen positioniert, ist das ein Super-GAU. Eigentlich. Denn so richtig empört scheint man in der Partei über die jüngsten Enthüllungen nicht zu sein.

Höchstens eine gewisse Nervosität gibt es offenbar, weil man befürchtet, die Vorwürfe könnten Wählerstimmen kosten.

Nun hat meine Kollegin Ann-Katrin Müller zusammen mit Maik Baumgärtner erfahren, dass auf Audioaufnahmen des tschechischen Sicherheitsinformationsdienst (BIS) zu hören sein soll, wie Bystron sich darüber beschwert, dass er mit dieser Art von Geldscheinen in Geschäften nicht zahlen könne (mehr dazu hier). In europäischen Sicherheitsbehörden ist man überzeugt, dass Bystron einen Teil des Geldes in 200-Euro-Scheinen bekam. Barzahlungen mit solchen Banknoten sind in vielen Geschäften wegen Sicherheitsbedenken nicht möglich. Es dürfte für Bystron nun noch schwerer werden, die Vorwürfe abzustreiten.

Lesen Sie dazu auch den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel

Ruanda, die Lieblingsautokratie der Europäer

Besser hätte es für Rishi Sunak nicht laufen können: Kurz vor den Kommunalwahlen hat der britische Premier eines seiner zentralen Projekte durchs Parlament gebracht. Künftig gilt das autokratisch regierte Ruanda als sicherer Drittstaat, womit Großbritannien Asylsuchende dorthin abschieben kann. Das britische Asylrecht ist damit praktisch abgeschafft. Die Tories hoffen, auf diese Weise die prognostizierte Niederlage bei den Wahlen abwenden zu können. In zehn bis zwölf Wochen sollen die ersten Flüge abheben, betonte Sunak, »ohne Wenn und Aber«.

Politiker Sunak und Scholz während des G7-Gipfels in Japan im Mai 2023

Foto: G7 Hiroshima Summit Host / HANDOUT / EPA

Wird Großbritannien damit zum Vorreiter einer drakonischen, auf Abschreckung setzenden Migrationspolitik? Auch andere Regierungen arbeiten am Offshoring von Asylsuchenden und Migranten, so treibt Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ein entsprechendes Abkommen mit Albanien voran. Österreich und Dänemark gelten ebenfalls als Befürworter des »Ruanda-Modells«.

Ruanda dürfte sicherlich auch Thema sein, wenn Sunak heute zum Antrittsbesuch bei Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin eintrifft. Dieser musste den Ministerpräsidenten der Länder im November versprechen, Asylverfahren in Drittstaaten zu prüfen. Bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz im Juni sollen erste Ergebnisse vorliegen.

Die Union treibt die Regierung bei dem Thema, sie hat die Drittstaatenlösung sogar in ihr Grundsatzprogramm geschrieben. Für Olaf Scholz ist das Thema heikel, denn insbesondere die Grünen lehnen die Idee mehrheitlich ab. Droht der nächste Ampelstreit?

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Gewinnerin des Tages…

…ist »Fräulein Lieser«. Eine junge Frau mit braunem Haar, sie trägt einen blauen Umhang, verziert mit Blumen. So hat Gustav Klimt sie im Jahr 1917 gemalt, jahrzehntelang galt das Porträt als verschollen. Erst im vergangenen Herbst wurde das Gemälde im Zuge einer Erbschaft wiederentdeckt, heute soll es im Wiener Auktionshaus »im Kinsky« versteigert werden. Der Schätzwert liegt bei 30 bis 50 Millionen Euro. Es könnte das teuerste je in Österreich versteigerte Kunstwerk werden.

Das Klimt-Gemälde im Wiener Auktionshaus

Foto: Leonhard Foeger / REUTERS

Aber das ist nicht alles, um das Gemälde hat sich ein regelrechter Kunstkrimi entsponnen. Es gibt unterschiedliche Theorien darüber, welches »Fräulein« von Klimt porträtiert wurde; mehrere Kandidatinnen aus der jüdischen Familie Lieser kommen infrage. Unklar ist auch, wem das Gemälde gehörte und unter welchen Umständen es den Besitzer wechselte. Womöglich bereits während der Nazizeit, also nicht freiwillig? Als Besitzerin gehandelt wird etwa Henriette Lieser, die 1943 von den Nazis ermordet worden sein soll. Gut möglich, dass das »Bildnis Fräulein Lieser« sein Geheimnis bald für immer mitnimmt in das Depot eines reichen Sammlers.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

Diesen Text möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

Badezimmerwaage (Symbolbild)

Foto: Armin Weigel / picture-alliance/ dpa

Kommt nach der Abnehmspritze bald die Schlankheitspille? Die Pharmaindustrie boomt – Spritzen von Novo Nordisk und Eli Lilly versprechen schnelles Dünnsein auf Rezept. Nun will die Branche mit Diätpillen nachlegen. Die lassen sich noch leichter konsumieren. Und sie liegen, anders als Spritzen, nicht sichtbar in einem Kühlschrank herum – was ein wichtiges Verkaufsargument werden könnte. Denn vielen Anwendern ist Diskretion wichtig. Ein Arzt hat meinem Kollegen Alexander Preker bei der Recherche gesagt: »Das Thema polarisiert. Viele wollen noch nicht mal, dass ihr Partner das weiß.« 

Ich wüsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Juliane von Mittelstaedt, stellvertretende Ressortleiterin Ausland

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