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Subunternehmer, Strohleute, Schwarzarbeit Zoll wittert Organisierte Kriminalität in Teilen der Paketbranche

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit moniert strukturelle Missstände bei Paketzustellern. Die geplante Reform des Postgesetzes soll die Arbeitsbedingungen verbessern. Doch wie weit soll der Staat dabei gehen?
aus DER SPIEGEL 17/2024
Zollbeamte kontrollieren Paketauslieferung (Symbolbild)

Zollbeamte kontrollieren Paketauslieferung (Symbolbild)

Foto: Rolf Vennenbernd / dpa / picture alliance

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Ein brisanter Brief der Generalzolldirektion heizt die Debatte über die laufende Reform des Postgesetzes in Deutschland an. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit sieht in Teilen der stark gewachsenen Kurier-, Express- und Paketbranche Ansätze Organisierter Kriminalität, heißt es in einem Schreiben an das Bundesfinanzministerium von Oktober 2023. Demnach erstrecken sich Ermittlungen in der Branche »in erheblichem Umfang auf Sachverhalte, die der schweren strukturellen Kriminalität zuzuordnen sind«.

Subunternehmerketten etwa seien in der Branche »weitverbreitet«, heißt es im Brief. Viele Beschäftigte seien mit Lieferwagen ohne Firmenlogo unterwegs, was Prüfungen erschwere. Bei Befragungen könnten Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber oft nicht nennen, »da diese regelmäßig wechseln, umfirmieren«. Die Täter schüfen ein System registrierter, aber inaktiver Unternehmen, »die durch Strohleute geführt werden«. Ziel sei es, Behörden zu täuschen, Verantwortlichkeiten zu verschleiern und »durch Straftaten wirtschaftliche Vorteile zu erzielen«.

Der Paketmarkt ist in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen – vor allem, weil Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Waren im Internet bestellen, die dann nach Hause geliefert werden. Die Coronakrise hatte den Trend noch beschleunigt. Im vergangenen Jahr wurden innerhalb Deutschlands mehr als 3,9 Milliarden Pakete verschickt, wie die Bundesnetzagentur berichtet. Zum Vergleich: 2019 waren es knapp 2,7 Milliarden Sendungen. Dem BIEK zufolge beschäftigt die Kurier-, Express- und Paketbranche mittlerweile etwa 258.000 Menschen.

Die Branche sei anfällig »für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung«, konstatiert der Zoll und berichtet von Arbeitszeitaufzeichnungen mit den immer selben Uhrzeiten für Beginn, Ende und Pausen. Die seien »für die Branche unüblich« und unrealistisch. Als die Ermittler Scanner-Daten anforderten, seien Fahrernamen teils geschwärzt worden. Der Brief liegt dem SPIEGEL vor, die »Rheinische Post«  hatte zuerst darüber berichtet.

Paket-Subunternehmen verbieten?

Das Schreiben belege »großen Handlungsbedarf wegen der kriminellen Zustände«, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff dem SPIEGEL. Der Staat solle den Paketsektor regulieren und kontrollieren, Subunternehmerstrukturen eingrenzen und die Beschäftigten möglichst effektiv schützen, fordert Roloff.

Die Bundesregierung hat Ende 2023 eine Reform des Postgesetzes beschlossen, die auch die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessern soll. So soll etwa die Bundesnetzagentur künftig alle Anbieter von Postdienstleistungen in ein Verzeichnis eintragen und überprüfen. Paketdienste sollen kontrollieren, ob ihre Subunternehmer zuverlässig sind. Pakete, die schwerer als 20 Kilogramm sind, sollen gekennzeichnet werden. Doch Bundestag und Bundesrat müssen über die Reform noch abstimmen.

Umstritten war zuletzt, ob der Staat Subunternehmerstrukturen in der Branche verbieten sollte. Eine entsprechende Initiative hatte das Land Nordrhein-Westfalen im Februar in den Bundesrat eingebracht. Der Bund müsse »den kriminellen Machenschaften sowie der Arbeitsausbeutung in der Branche einen Riegel vorschieben«, sagte NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) der »Rheinischen Post«. Auch die Gewerkschaft Ver.di hat sich für ein Verbot von Subunternehmen in der Paketbranche ausgesprochen.

Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) weist hingegen die Annahme zurück, dass die Branche ein grundsätzliches Problem mit ausbeuterischen Strukturen hätte. Der Verband verweist auf »Tausende anständige Transportunternehmer«; demnach wäre ein Verbot von Subunternehmen ungerechtfertigt und unverhältnismäßig. Es würde den Wettbewerb einschränken und gewachsene Unternehmensstrukturen beseitigen, so die Argumentation.

bem
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